Géza Ákos Molnár 5. Juli 2022
Nicht nur die, die aus beruflichen Gründen Reden halten, fragen nach meiner Dienstleistung. Auch die, die ganz privat einmal auftreten, bitten mich um meine Unterstützung.
Wissen Sie, was sich gut bewährt hat? Wenn jemand voller Lampenfieber ist, wenn jemand rhetorisch ungeübt, vielleicht auch nicht gar so talentiert ist, ermutige ich ihn, eine zum Thema passende Geschichte aus seinem Leben zu erzählen.
Wer etwas zu erzählen hat, dem fällt das Reden leichter.
Ich sammle daher auch gerne Geschichten von ganz „normalen“ Leuten. Ich zeige sie gerne her. Man sieht an ihnen, daß das gar nicht so eine „Hexerei“ ist mit dem Erzählen.
Außerdem regen die Geschichten die eigene Phantasie an; sie helfen einem auch bei der Suche nach Geschichten aus dem eigenen Leben. Oft sind das auch ganz schlichte Erlebnisse; die berühren die Hörer oft eh viel mehr als irgendwelche spektakulären Dinge.
Geschichten erzählen können auch die lampenfiebrigen Frauen und Männer „plötzlich“ gut. Wer erzählt, kommt rednerisch in Schwung. Beim Erzählen erlebt er ja die Geschichte irgendwie wieder.
Die Geschichte, die ich Ihnen heute weiter unten zeigen werde, habe ich vor ein paar Tagen in einem Internetforum gefunden. Da ging es aufgrund der Höchstgerichtsentscheidung in den USA um die Abtreibung.
Eine Dame hat ganz spontan einfach eine Geschichte aus ihrem Leben erzählt und sie auch einfach so, ohne weitere Argumente, stehen lassen. Vielleicht hat sie darauf vertraut, daß die Geschichte auch ganz allein ihre Wirkung entfalten wird.
Schreiben für’s Lesen oder für’s Hören?
Natürlich, Sie werden es beim Lesen selber bemerken: Wollte ich die Geschichte jetzt in eine gute Rede einfügen, ich würde sie noch etwas umschreiben, feinschleifen, damit sie sich nicht nur gut liest, sondern auch richtig gut anhört; aber da wäre gar nicht mehr viel daran zu arbeiten.
Meistens sind ja die Geschichten zuerst für’s Lesen geschrieben. Will ich sie Hörern erzählen, formuliere ich sie geschmeidiger, damit sie sich beim Hören besser anfühlen (keine Partizipien, möglichst kein Passiv und kein Imperfekt u.a.).
Werte Leser, gönnen Sie sich jetzt diese kleine Geschichte als ein Beispiel für etwas, das so gut wie jeder gut kann: aus dem Leben erzählen.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihre nächste Rede in privater Runde! Wenn ich Sie dabei unterstützen darf: Sie sind willkommen!
Wie eine junge Frau dann doch eine glückliche Mutter wurde
Und jetzt eins zu eins zitiert die Geschichte von Undine (so ihr Pseudonym im Forum im Internet):
„Ich erinnere mich noch lebhaft an eine junge Frau, die in die Ordination meines Mannes kam. Dieser war aber gerade zu einer Geburt gerufen worden. Also vergab ich an die wartenden Frauen neue Termine, je nach Dringlichkeit. Es war ein Freitag.
Zuletzt kam besagte junge Frau beim Gartentor herein, die mir sagte, sie sei schwanger, wolle das Kind aber nicht. Sie und ihr Mann möchten jetzt noch kein Kind.
Ich erklärte ihr, daß mein Mann keine Abtreibungen mache. Und dann schaute ich sie an und sagte: ‚Schade, es wäre bestimmt ein hübsches Kind.‘
Ihre Antwort auf meinen banalen Satz, der mir aus dem Mund gerutscht war, verblüffte mich. Sie fragte nämlich ebenso verblüfft zurück: ‚Glauben Sie?‘
In diesem Moment dürfte dieses unerwünschte Etwas, diese Sache in ihrem Bauch, Gestalt angenommen haben, denn am Montag rief sie an und bat um einen Termin:
‚Ich möchte einen Termin für den Mutter-Kind-Paß!‘ Und dann bekam sie bald nach diesem Kind das zweite Kind!“
Quelle: Pseudonym: Undine, in: Andreas Unterbergers Tagebuch, 25.06.2022
Schlagwörter: Hören, Lesen, erzählen, Lampenfieber, Geschichte, storytelling.
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