Géza Ákos Molnár 24. Juni 2023
Immer wieder äußern mir Seminarteilnehmer ihre Sorge wegen ihres Akzents. Meistens sind das Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache, hin und wieder auch Westösterreicher in Wien oder Deutsche und Schweizer in Österreich.
Hinter der Sorge steht wohl ihr eigener Anspruch. Sie denken vielleicht, man müsse so reines Deutsch erklingen lassen wie es professionelle Schauspieler oder Fernsehmoderatoren tun, wenn sie es tun müssen.
Abgesehen von der gar nicht eindeutig zu beantwortenden Frage, was denn nun das reine Deutsch ausmacht, zeige ich Ihnen heute drei Aspekte des Redens mit Akzent:
Zunächst: Vor ein paar Jahren war ich als Redner in Nordrhein-Westfalen eingeladen. Sie haben mich dann immer wieder neu beauftragt. Es hat mich sehr geehrt und sehr gefreut, wiewohl ich mich auch gewundert habe.
Als ich mit dem Auftraggeber schon einigermaßen vertraut war, habe ich ihn denn auch gefragt: „Warum laden Sie mich als Redner ein? Zu diesem Thema gibt es doch sicher viele Deutsche aus Ihrer Nähe, die Sie engagieren könnten.“
„Sie haben Recht. Aber unsere Leute hier hören so wahnsinnig gerne Ihren österreichischen Akzent. Sie lieben ihn.“
Wer weiß, lieber Leser? Vielleicht ist Ihr Akzent sogar Ihr Glück und die Wonne Ihrer Hörer.
Sodann: Mein Grundsatz: Jeder soll reden, der etwas zu sagen hat. Natürlich soll er das so gut tun wie nur möglich.
Solange Ihre Rede gut vorbereitet ist und sie alles so machen, daß sich Ihre Hörer leicht damit tun, Ihnen gerne zuzuhören, ist alles in bester Ordnung.
Ihr Akzent mindert die Qualität Ihrer Rede nie und auf keinen Fall. Fußnote: Unterscheide Akzent und Dialekt voneinander: Akzent ist keine Variante, sondern nur die Färbung der deutschen Sprache.
Ihr Akzent, werter Leser, kann sogar zu Ihrem rhetorischen Markenzeichen werden.
Es gibt Namen, da erinnern wir uns sofort an deren Akzent, wenn wir sie lesen. Rudi Carell. Paul Lendvai. Roberto Blanco. Edmund Stoiber. Louis van Gaal. Oder den Namen des berühmten in Deutschland auftretenden französischen Kabarettisten: Alfons.
Niemand würde diesen Männern raten, sich den Akzent abzugewöhnen.
Arbeiten Sie in einem Beruf, wo akzentfreies Reden manchmal wirklich wichtig ist, dann wird Ihnen Ihr Arbeitgeber das professionelle Training auch ermöglichen: Schauspieler, TV – Sprecher und Spione müssen vielleicht tatsächlich akzentfrei reden können.
Schließlich: Weil er es viel schöner beschrieben hat als ich das je könnte, zitiere ich jetzt ohne weiteren Kommentar Ilia Trojanow. In seinem Buch Nach der Flucht habe ich im 35. Notat diese Sätze gefunden:
Der Akzent ist die Handschrift der Zunge. Stellt euch vor, wir redeten alle wie Nachrichtensprecher. Wie Überbringer schlechter Botschaften. Der Akzent sorgt für die Schönheitsmale auf der Sprachhaut.
Liebe Leser, guten Mut also! Wenn Sie mit Akzent reden, dann ist das nicht nur in Ordnung. Es ist schön.
Quelle: Ilias Trojanow, Nach der Flucht, S.Fischer 2022³, S.99
Schlagwörter: ILIA TROJANOW, AKZENT, DIALEKT, ROBERTO BLANCO, PAUL LENDVAI, RUDI CARELL, EDMUND STOIBER, Louis van gaal, ALFONS.
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