Daß Wofgang Amadeus Mozart (1756 – 1791) dort beerdigt liegt und daß sein erster Biograph Franz X. Niemeczek (1766 – 1849) seine letzte Ruhestätte auch dort gefunden hat, ist allseits bekannt.
Am Friedhof St.Marx entdeckt man aber auch sonst viele Gräber mit prominenten Namen auf ihren Grabsteinen.
Die Enteckung eines besonders interessanten Grabsteins verdanke ich meinem berufsbedingten Wahrnehmungsdefekt:
Da ich Redenschreiber bin, übersehe ich nirgends das Wort „Reden“. Ich nehme es wahr, auch wenn ich überhaupt nicht nach ihm gesucht habe.
Meine Augen sind derart konditioniert, daß sie die Buchstabenreihe „r e d e n“ regelrecht ansaugen und mein Gehirn alarmieren, egal wo sie geschrieben steht und egal, in welchem Sinnzusammenhang sie da steht. Sie kennen das, man will ja keine Geschäftsgelegenheit übersehen.
Am nebeligen 1. November, beim fast schon kitschigen Spaziergang durch den Friedhof St.Marx ist es wieder geschehen. Meine Augen haben das Wort „Reden“ eingemeißelt entdeckt. Es stand auf dem Grabstein eines mir bis dato völlig unbekannten Mannes. Sein Name: Reden. In voller Länge:
„Friedrich Wilhelm Otto Ludwig Freiherr von Reden“ (1802 – 1857)
In diesem Fall hatte es also nichts mit Rhetorik zu tun. Reden ist der Name des Toten da im Grab.
Was aber finden meine Augen unter seinem Namen in Stein gemeißelt zu lesen?
Noch einmal diese Buchstaben, auf die ich so fixiert bin – und diesmal hat es auch wirklich mit dem Reden zu tun. Sie sehen es auch auf dem Foto weiter unten.
Das ist der Grundsatz dieses deutschen Statistikers, Mathematikers und Politikers, der die letzten Jahre seines Lebens in Wien verbracht hat.
Das war dem Freiherrn wohl so wichtig, daß man es für immer verewigt wissen wollte. Ob das vielleicht sogar er selbst veranlaßt hat?
Das war also das Prinzip seiner Arbeit und sein Leitmotiv. Eine goldene Regel für den Statistiker in staatllichem Dienst. Und freilich nicht nur für den Statistiker, sondern für jeden aufgeklärten Akademiker, der wirklich einer ist.
Zuerst: Forsche. Damit die fundierte Erkenntnis Grundlage Deiner Entscheidungen sei. Dann:
Prüfe. Denn errare humanum est; nicht, daß Du beim Forschen einem Irrtum unterlegen bist. Falsifiziere! Verifiziere! Nun:
Rede. Und zwar wirklich erst jetzt. Weil jetzt erst ist evidenzbasiert, logisch und vernünftig, was Du sagst. Was Du sagst, ist immerhin Grundlage folgenreicher Entscheidungen. Schließlich aber laß Taten folgen:
Hilf. Das sagt der Statistiker und Mathematiker. Die Rede, sagt Von Reden, ist kein Selbstzweck. Die vernünftige, essentielle, faktenbasierte Rede verhilft uns zu vernünftigen, rationalen, kalkulierbaren, praktikablen und pragmatischen Lösungen von Problemen. Diese Tat, die nicht zu unterdrücken, sondern zu helfen hat, hat der Rede aber auch zu folgen.
Von „Werten“ und von „Haltung“ ist hier freilich nicht die Rede. Interessant. Der Grabstein klingt weniger nach Gesinnungsethik, denn vielmehr nach Verantwortungsethik.
Freiherr von Reden zieht es vor, zu forschen, zu prüfen, zu reden, zu helfen. In dieser vernünftigen, logischen, pragmatischen und den Menschen und Staaten gerecht werdenden Reihenfolge.
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