Rudolf Buchbinder. Was der Musiker Rednern zeigt.

Géza Ákos Molnár 27. Juni 2018


Musik und Rhetorik sind miteinander verwandt, beide dienen ihren Hörern; und beide brauchen Menschen, die mit ihrer Stimme oder mit ihrem Instrument oder mit ihrer Redekunst Menschen auch wirklich dienen wollen. 

Darum höre ich immer genau zu, wenn Musiker ihre Erfahrung und ihr Wissen mit uns teilen.

Ich habe ein paar Sätze des großen österreichischen Pianisten Rudolf Buchbinder aufgeschrieben, die ich in einer Dokumentation über ihn entdeckt habe: Auf Der Suche nach Vollendung. Ein Film von Thomas Macho.

Lesen Sie sie bitte unter folgendem Blickwinkel: Alles, was Rudolf Buchbinder hier sagt, trifft zu hundert Prozent auch auf die Kunst der Rede zu. Zum Transponieren brauchen Sie mich gar nicht mehr.

  1. Vorbemerkung zum ersten Zitat. Es geht um den jungen Buchbinder. Er hatte die Möglichkeit, erste kleine Konzerte auf kleinen Bühnen vor kleinem Publikum am Lande zu geben.

    Das war für mich eine ganz, ganz wichtige Zeit, wo ich mit dem Niederösterreichischen Tonkünstlerorchester die Konzerte auf der Bühne erlernen konnte. Man lernt ja nur auf der Bühne. 

    Zu Hause klingt ja alles sehr gut. Aber wenn man auf der Bühne ist, ist man vollkommen nackt, ist man plötzlich konfrontiert mit dem Publikum, mit der Nervosität. Und da stellt sich heraus, ob man gut gearbeitet hat oder nicht.“
  2. Das zweite Zitat – über das Üben für das Konzert und das Momentum unmittelbar vor dem Konzert:

    „Die Zweifel müssen ausgeräumt sein, weil man arbeitet ja zu Hause. Natürlich, die Wahrheit stellt sich auf der Bühne heraus. 

    Trotzdem ist es so, daß wenn ich eine Pathétique oder eine Apassionata immer wieder spiele – heute spiele ich sie so, morgen wird sie wieder ganz anders sein.“
  3. Im dritten Zitat geht es um die Musik der Musik, übertragen auf uns, um die Musik der Rede:

    Das Erstaunliche ist, ich sag‘ zum Beispiel – ich hab‘ zu meinen Schülern immer gesagt: ‚Ihr braucht’s ja überhaupt keinen Lehrer. Ihr braucht’s ja nur spielen, was in den Noten steht!‘ 

    Nur, das machen die Wenigsten. Es gibt doch viele prinzipielle Dinge des Anschlags, der Dynamik. Es gibt so viele verschiedene Arten von Forte. Das Pedalisieren ist etwas, das total vernachlässigt wird. Auch das muß man lernen. 

    Phrasierung, Artikulation, wie der Bogen ist, daß am Ende des Bogens kein Akzent ist, sondern daß die Phrase mit dem Bogen beginnt. Das sind so viele Dinge, die man einem jungen oder einer jungen Pianistin beibringen muß.“
  4. Und im vierten Zitat geht es um die persönliche Positionierung, die in der Welt der Musik wohl dieselbe Rolle spielt wie in der Welt der Redekunst auch: 

    Man soll ja nicht versuchen, es allen recht zu machen. Denn wenn man es allen recht macht, ist man Mittelmaß. 

    Man muß polarisieren, das ist ganz wichtig. Man hat dann nämlich wirklich eine gute Fangemeinde, die einem nachreist und so weiter; 

    und man hat dann natürlich viele, von denen man total abgelehnt wird. Aber ich finde das sehr wichtig und sehr positiv.“

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