Géza Ákos Molnár 2. Dezember 2023
Immer in der Adventzeit fragen mich Leute nach einer schönen Geschichte zum Vorlesen.
Nun sind ja Advent und Weihnachten dezidiert christliche Feste; die Geschichte hier unten nimmt keinen expliziten Bezug auf das Evangelium; ich zeige sie Ihnen aber trotzdem sehr gerne, weil sie die von Jesus Christus gelebte Liebe zum nächsten Menschen so eindrücklich widerspiegelt:
Die Geschichte The Circus – Der Zirkus kursiert seit ein paar Jahren im Internet.
Dort wird sie fast überall Audrey oder auch Katharine Hepburn zugeschrieben. Sie stammt allerdings von Dan Clark.
Ich habe die Geschichte, die in den USA spielt, aus dem englischen Original übersetzt bzw. übertragen.
Als ich ein junger Bub war, standen mein Vater und ich einmal in der Schlange, um Karten für den Zirkus zu kaufen. Endlich war dann nur mehr eine andere Familie zwischen uns und dem Ticketschalter. Diese Familie hat mich sehr beeindruckt.
Ich zählte acht Kinder, alle wahrscheinlich unter 12 Jahre. Die Art und Weise, wie sie angezogen waren, zeigte, daß sie nicht viel Geld hatten, aber ihre Kleidung war ordentlich und sauber.
Die Kinder benahmen sich gut; alle standen in einer Schlange, zwei und zwei hinter ihren Eltern und hielten sich an den Händen. Sie plauderten aufgeregt über die Clowns, Elephanten und andere Zirkusnummern, die sie an diesem Abend sehen würden.
Ihrer Aufregung konnte man ansehen, daß sie noch nie zuvor im Zirkus gewesen waren. Es versprach, ein Höhepunkt in ihrem jungen Leben zu werden.
Der Vater und die Mutter standen an der Spitze des Rudels und standen so stolz da, wie man es sich nur vorstellen kann. Die Mutter hielt die Hand ihres Mannes und sah zu ihm auf, als wollte sie sagen: „Du bist mein Ritter in glänzender Rüstung.“ Er lächelte und sonnte sich in seinem Stolz und sah sie an, als wolle er antworten: „Da hast du wohl vollkommen recht.„
Die Dame am Schalter fragte den Mann, wie viele Karten er wollte. Er antwortete stolz: „Ich möchte acht für Kinder und zwei für Erwachsene kaufen, damit ich meine Familie in den Zirkus bringen kann.“ Die Ticketdame nannte den Preis.
Da ließ die Frau die Hand ihres Mannes los, ihr Kopf senkte sich. Die Lippen des Mannes begannen zu zittern.
Dann beugte er sich etwas näher hin und fragte: „Wieviel – haben Sie gesagt?“ Noch einmal nannte die Dame am Schalter den Preis.
Der Mann hatte nicht genug Geld. Wie sollte er sich nun umdrehen und seinen acht Kindern sagen, daß er nicht genug Geld hatte, um sie in den Zirkus hineinzubringen?
Als mein Vater sah, was los war, griff er auch schon in seine Tasche, holte einen 20-Dollar-Schein heraus und ließ ihn auf den Boden fallen. (Wir waren beileibe nicht wohlhabend!)
Mein Vater bückte sich, hob den 20-Dollar-Schein auf, klopfte dem Mann auf die Schulter und sagte: „Entschuldigen Sie, Sir, das ist aus Ihrer Tasche gefallen.“
Der Mann verstand sofort, was da vor sich ging. Er hatte nicht um ein Almosen gebettelt, aber er schätzte die Hilfe in seiner verzweifelten, herzzerreißenden und peinlichen Situation sehr.
Er sah meinem Vater gerade in die Augen, nahm die Hand meines Vaters in seine beiden, drückte sie fest auf die 20 Dollar-Note, und mit bebenden Lippen und einer Träne, die über seine Wange lief, antwortete er: „Danke! Danke, Sir. Das bedeutet mir und meiner Familie unendlich viel.“
Mein Vater und ich gingen zu unserm Auto zurück und fuhren nach Hause. In den Zirkus gingen wir an diesem Abend nicht. Leer ausgegangen sind wir aber auch nicht. Ganz im Gegenteil.
Diese Geschichte ist in diesem Buch enthalten: Jack Canfield & Mark Victor Hansen, A 2nd Helping of Chicken Soup for the Soul, 2012
Daher ein kleiner Tipp für Sie. Damit die Geschichte so gut wie nur möglich wirkt, üben Sie das Vorlesen bitte gut und laut ein. Finden Sie die Stellen, wo Sie sich leicht verlesen oder wo Sie gerne falsch betonen; markieren Sie diese Stellen so, daß Sie später alle rhetorischen Fallen umschiffen.
Nur so erzeugen Sie die richtige Stimmung. Dann haben Ihre Hörer viel mehr von Ihrer Geschichte und sie genießen sie auch wirklich.
klicken Sie bitte auf diese PDF Datei: Wie die acht Kinder dann doch …
In meiner Kolumne finden Sie weitere zwei Geschichten dieser Art. Sie eignen sich ebenso zum Vorlesen:
Eingebettet in einen Artikel ist die Geschichte vom Burekbäcker in Sarajevo.
Sie ist ebenso eine wahre Begebenheit wie die Geschichte vom Krüppel von Hohenstein.
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