Der Knopf und das Wort. Eine kleine Betrachtung zweier Verwandter.

Géza Ákos Molnár 16. April 2015


Da ich eine Redemanufaktur habe, spitze ich meine Ohren reflexartig, sobald ich irgendein Wort mit ‚Manufaktur’ zu hören kriege.

Gestern habe ich eine bekannte Wiener Imageberaterin besucht. Im Laufe unseres Gesprächs hat sie mir von einer Wiener Knopfmanufaktur erzählt. Was für eine wunderbare Idee: Eine Knopfmanufaktur.

Vor Jahren einmal war ich in einer. Mit meinem Schneider Simon Skottowe. Ich habe ihn begleitet, als er alles für mein neues Sakko einkaufen gegangen ist. Simon hat sich viele Knöpfe nach der Art, wie sie wohl zu meinem Sakko passen würden, vorlegen lassen.

Und er hat mir dabei erzählt, worauf er nun achtet. Es sind so viele Details, die wir als Laien gar nicht bedenken, obwohl wir sie dann jeden Tag genießen, ohne zu wissen, warum genau: Die Farben und die Form, die Anmutung, das Material, die Größe und die Haptik.

Und er hat mir ein kleines Geheimnis anvertraut: Mitunter kommt es vor, dass er einen Knopf entdeckt, der so selten schön anmutet, so besonders, dass er ihn auswählt, obwohl er nicht so ganz zum Entwurf des Anzugs passt, den er sich anschickt zu kreieren.

Und es geschieht daher bisweilen, dass der Knopf zur Inspirationsquelle wird und das Gewand ein neues Design bekommt. Der Knopf, dieses kleine Ding, hat eine große Wirkung, eine größere als wir glauben mögen.

Simon, der Künstler seines Fachs, weiß das; und ich habe ihn gesehen: mit welcher Sorgfalt, mit welchem Feingefühl, mit welcher Vorstellungskraft und mit welchem Sachverstand er den zur Auswahl vorgelegten Knopf dreht und wendet, sein Gewicht schätzt und seine Farben in verschiedenem Licht und seine Härte zwischen seinen Zähnen prüft. 

Was der Anzug und der Knopf für den Schneider, das ist die Rede und das Wort für den Redenschreiber. Was die unendliche Vielfalt der Knöpfe in der Knopfmanufaktur, das ist die schier unendliche Vielfalt der Wörter in der Redemanufaktur. Was der Schneider tut mit jedem Knopf, das tut der Redenschreiber mit jedem Wort.

Und wissen Sie, was mich unendlich freut? Obwohl ich schon 50 Jahre gezählt habe, entdecke ich noch immer neue Wörter. Alte, längst vergessene, die doch so schön sind, dass es sich lohnt, sie wieder zu verwenden. Und ganz neue, viele von ihnen so treffend gut, dass es sich lohnt, sie unters Volk zu bringen.

Mein Geheimnis? Es ist dasselbe wie das von Simon, dem Schneider. Es kommt mitunter vor, dass ich ein Wort finde, so erlesen, dass ich es auserlese und lieber eine Passage in einer Rede neu schreibe, weil dieses Wort heute so gut tut, dass es ein Glück und eine Freude für alle wird, die diese Rede hören.PS: Ich danke meinen Inspriationsquellen Bettina Kohlweiss und Simon Skottowe zu diesem Blogbeitrag!

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