Géza Ákos Molnár 28. Oktober 2025
Gibt es sie, die richtig guten Debatten vor Publikum? Ich meine die, wo man einander ausreden läßt und einander zuhört, selbst wenn es einem manchmal wirklich weh tut angesichts dessen, was der andere gerade sagt? Wo man logisch argumentiert und einander Respekt erweist statt zu beleidigen, zu unterstellen und persönlich zu verurteilen?
Debattierklubs zeigen es vor
Es gibt sie. Hier ist der Beweis. Ich zeige Ihnen jetzt zwei verschiedene Debattenausschnitte. Debatten in der Tradition klassischer Debattierklubs.
Voranstellen tue ich diesmal die Videos. Darunter schreibe ich dann meine Schlußfolgerungen.
Wenn Sie die Videos ansehen: Welche Spielregeln des Debattierens entdecken Sie dabei?
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß Ihnen die Meinung zumindest eines der Vortragenden sehr mißfällt (ich schließe jetzt von mir auf Sie):
Wenn Sie demjenigen dennoch weiter gut zuhören können, woran liegt das dann Ihrer Einschätzung nach?
Zwei Beispiele
1/ Hier das Video über den Islam als Religion des Friedens (bitte versuchen Sie hier, den Präsentator des Videos außer Acht zu lassen):
2/ Und hier das Video über die Frage des Völkermordes im Gazastreifen. Leider kann es nicht eingebettet werden. Damit Sie es sehen, klicken Sie bitte hier. Danke.
Veranstalter beider Debatten ist die Oxford Union, ein 1823 gegründeter Debattierklub. Die Oxford Union betreibt einen eigenen youtube-Kanal und natürlich eine sehr informative Website.
Nachempfunden ist das Setting der Debatten dem britischen Parlament. Die beiden gegnerischen Parteien sitzen einander gegenüber. Vorne stehen die Kontrahenten an einem ganz schlichten Pult und tragen ihre Argumente vor. Über ihnen wacht der Vorsitzende – der Moderator – und achtet auf Einhaltung der Spielregeln.
Die Spielregeln scheinen schlicht, einfach und sehr bewährt zu sein. Wer am Wort ist, entscheidet darüber, ob jemand aus der Audienz eine Zwischenfrage stellen oder ein kurzes Statement vorbringen darf oder nicht.
Wer einen Einwurf machen möchte, steht auf und gibt ein Zeichen mit der Hand.
„I’m not taking the point,“ oder „rejected“ ist, was wir in diesen Videos hier zu hören bekamen. Ein Beispiel für erlaubte Zwischenrede sahen wir nicht. Was wir aber sahen, war, daß das „Nein“ der Redner ausnahmslos respektvoll zur Kenntnis genommen worden ist.
Übrigens: Ist Ihnen das auch aufgefallen? Die Redner und auch die Hörer waren sehr gut gekleidet.
Gute Debattenkultur ist konsistent gute Kultur. Nicht nur, weil das schlicht schöner ist so.
Sondern auch, weil es eine fruchtbare Wechselwirkung gibt: Befinden wir uns in gepflegter, sauberer und schön designter Umgebung und haben wir alle etwas Hübsches an, dann verhalten wir uns viel eher kultiviert und respektvoll als in schlampiger Umgebung und zu lässig gekleidet.
Das Publikum darf klatschen, oder zustimmend kreischen. Es darf sich aber sonst nicht störend einmischen. Im zweiten Video sahen wir bei TC 11:24 wie der Vorsitzende einmal ernsthaft eingreifen muß, als es auf der Galerie laut wird. Er setzt sich schnell durch und alles ist wieder gut.
Das ist die Debattenkultur, wie wir sie lieben. Das ist die Debattenkultur, wie wir sie brauchen.
Wir haben es gesehen: Verschiedene, ja, ganz gegensätzliche, einander sogar ausschließende Meinungen können wir durchaus niveauvoll vortragen. Umgekehrt können wir denen durchaus sehr gut zuhören, die das glatte Gegenteil unserer Überzeugung vertreten.
Gute Debattenkultur konzentriert sich auf zwei Dinge:
Apropos Respekt: Ist Ihnen das auch aufgefallen? Obwohl in der Sache glasklar und durchaus hart, hat sich keiner der beiden Redner abschätzig über die geäußert, mit denen sie die Auseinandersetzung geführt haben.
Gelingen Respekt und Logik, erreichen wir zumindest ein Minimalziel jeder Debatte:
Daß wir nachvollziehen können, was der andere warum und wozu vertritt. Das ist die Grundvoraussetzung für Verstehen. Und das ist unverzichtbar für jede sinnvolle Verhandlung.
Anm.: Deshalb werde ich immer unruhig, wenn „Versteher“ heute ein Negativwort ist, zum Beispiel Putinversteher. Ohne Verstehen gibt es keine Chance auf erfolgreiches Verhandeln.
Das gute mittlere Ziel ist, daß wir dank guter Debattenkultur wechselseitig dem einen und andern Argument tatsächlich etwas abgewinnen können, eigene Logik-Denkfehler oder Wissenslücken entdecken und einander inhaltlich näherkommen.
Das große Ziel ist, daß wir einen modus vivendi oder sogar modus cooperandi finden, guter Debattenkultur gedankt.
Denkverbote zu erteilen, Fragestellungen zu verdammen, Debatten gar nicht erst zuzulassen ist eine große, sehr große Not. Das ist praktizierte Zensur. Sie trifft uns in unsern Breitengraden seit Jahren.
Wieviele Themen gibt es, die man öffentlich (siehe vor allem öffentlich rechtliche Medien) erst gar nicht ausgewogen zu debattieren zuläßt?
Wieviele Themenfelder gibt es schon, wo man an die Stelle von Naturwissenschaft und Vernunft die Dogmen einer Ideologie und die Moral einer sogenennaten Haltung gesetzt hat?
Gesinnungsethiker brauchen keine Debatte. Verantwortungsethiker leben von ihr. Gesinnungsethiker zensurieren. Verantwortungsethiker debattieren. Gesinnungsethiker diktieren und herrschen. Verantwortungsethiker führen und begleiten.
Umso mehr schätze ich Debatten des Formats der Oxford Union oder ähnlicher Klubs:
Erstens debattieren sie überhaupt! Und zweitens debattieren sie vereint unter den Spielregeln und Rahmenbedingungen guter konsistenter Debattenkultur.
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