Immer Blickkontakt halten beim Redenhalten? Ja nicht immer !

Géza Ákos Molnár 2. März 2015


Ich bin bei der Generalprobe der Rede eines Konzernvorstands an einige hundert Mitarbeiter. Das Veranstaltungsdesign liegt in den Händen einer PR-Agentur. Mit der eigentlichen Redeberatung bin ich betraut worden.

Feedback nach der großen Vorstandsrede. 

Die Dame der PR-Agentur: „Herr Vorstand, ausgerechnet dort, wo Sie die Kritik am Leistungswillen eines Teils der Mitarbeiter angebracht haben, haben Sie den Blickkontakt vermieden. Das lässt vielleicht Schwäche vermuten oder Unsicherheit oder Angst.“

Ist das wirklich so?

Ich habe die gegenteilige Meinung vertreten.[Nebenbemerkung: Es war nicht gut, dass die PR-Dame das gute Wort vergessen hat: ‚Schuster, bleib’ bei Deinem Leisten!’]

Obwohl ich die Regel „Immer Blickkontakt mit den Zuhörern halten“ mag. Es gibt Ausnahmen. Im Unterschied zum Amateur weiß das der Profi. In dieser Situation war es sehr gut, wie der Herr Vorstand agiert hatte: professionell eben.

Warum war das gut so?

Zunächst, weil er ja eben nicht ängstlich wirkend die Schultern eingezogen einfach irgendwohin geschaut und mit unsicherer Stimme die Kritik an der Arbeit eines Teils der Mitarbeiter gestammelt hat.

Sondern? Der Vorstand ist bei dieser kritischen Passage der Rede die Bühne langsam auf- und abgegangen. Und im Gehen hat er auf den Boden geschaut.

Und er hat geredet als würde er gerade jetzt, in diesem Augenblick, die besten Worte sorgsam auswählen, um das Unangenehme treffend zu formulieren. Und mit guter fester Stimme hat er gesagt, was er sagen musste.

Sodann: Hier war ein Moment, wo die Ausnahme von der Regel „Immer Blickkontakt halten“ die bessere Wahl war.

Er hat die Kritik geäußert, ohne jemand mit einem strengen Blick zu belegen. Nicht ins Publikum zu schauen, war seine Art zu zeigen, dass er den Tadel nicht lustvoll äußert. Er hat spüren lassen, daß ihn das jetzt nicht kalt läßt. Jeder hat gesehen und gespürt, dass das jetzt auch ihn emotionalisiert.

Und: dass er es eben sagen muss. Und folglich tut er es auch. Ein anstrengender oder gar angestrengter und dann womöglich kalt wirkender Blick ins Publikum barg hier ein zu großes Risiko.

Schließlich ist es ja schlicht und einfach so: Blickkontakt ist immer ein Dialog mit den Hörern. Schau’ ich jemand in die Augen, seh’ ich auch seine Augen.

Und seine Augen erzählen mir seine Gefühlsreaktion. Und ich ziehe meine Schlüsse.

Darum ist es auch in Zweiergesprächen eine Geste respektvoller Höflichkeit, dann den Blickkontakt zu vermeiden, wenn sich der Angesprochene dabei lieber unbeobachtet wissen würde.

Dann vermeide ich eben den Blickkontakt, um ihn nicht in die Verlegenheit zu bringen, zum Beispiel jetzt ein Pokerface zu machen, um mir, dem Redner, nur ja keine Reaktion der Betroffenheit, des Sich-Ertapptfühlens oder des Unmuts oder des Bedauerns zu zeigen. Das kann auch in einer Verhandlung oder in einem Konfliktlösungsgespräch das Beste sein, das wir tun können.Den Blickkontakt eben hier zu vermeiden, zeugt von nobler Umsetzung führender Autorität.

Zurück zum Konzernvorstand. Es ist „meinem“ Redner im konkreten Fall eben nicht darum gegangen, lustvoll autoritär auf die Pauke zu hauen („seht her, was ich alles sehe – ja, ich sehe alles“), sondern kraft der Autorität des Vorstands die Mitarbeiter zu lenken.

Wenn das Lenken der Mitarbeiter das Wirkungsziel war, war das Vermeiden des Blickkontakts in dieser Situation goldrichtig, vor allem in der Weise, wie dieser Herr es gemacht hat: die Bühne auf und abgehend, auf den Boden vor sich schauend, die wichtigen Worte wirkungsstark wählend.

Fazit: Ja, halten Sie fleißig Blickkontat mit Ihren Zuhörern. Außer es ist schlicht höflicher, nobler und darum ohnehin wirkungsstärker, ihn eben nicht zu halten, wie wir das als Wohlerzogene auch in Zweiergesprächen so tun.

Schlagwörter: , , , , , , , , , , , , , , , , .