Konrad Adenauers Weihnachtsbotschaft 1958

Géza Ákos Molnár 23. Dezember 2014


Diese Rede ist die beste eines Politikers, die ich je zu diesem Fest gehört beziehungsweise gelesen habe.

Mit ihr wünsche ich Ihnen frohe, gesegnete Weihnachten!


Weihnachtsbotschaft


Gehalten von Dr. Konrad Adenauer am 25.12.1958, Bundeskanzler Bundesrepublik Deutschland 1949 – 1963
Ort: Bonn, Rundfunkansprache

„Die Weihnachtsbotschaft verheißt den Frieden. Nicht verzagen, nicht mutlos werden.

Und wieder wandern die Gedanken weiter hinein in die Jahre der Unfreiheit und Bedrückung, in die Jahre des schrankenlosen Nationalismus, der Herrschsucht und der Willkür, in die Jahre des zweiten Weltkrieges, in die Jahre des Todes und der Zerstörung, in die Jahre des zweiten Zusammenbruchs, in die Jahre der Angst, die die Menschheit immer mehr packt.

Dann steigt eine neuere Periode vor mir auf: die Zeit des Aufbaus, des Aufbaus der Wirtschaft, des kulturellen und des politischen Aufbaus. 

Aber ach! Die Angst ist geblieben.

Sicherheit und Ruhe sind seit 1914 aus dem Leben der Menschen verschwunden. Und Frieden! Wirklicher Friede ist seit 1914 nicht wieder zu uns Deutschen gekommen. 

Wie viele von den jetzt in Deutschland Lebenden haben den Frieden, die Sicherheit, ein Leben ohne Angst gekannt? Vor 1914 war uns das alles so selbstverständlich, daß wir den wahren Wert dieser kostbaren Güter gar nicht richtig erkannt haben und zu schätzen wußten. 

Ist es nicht traurig, ist es nicht furchtbar zu denken, daß die Mehrzahl der jetzt Leidenden Ruhe, Frieden und Sicherheit, ein Leben frei von Angst niemals gekannt haben?

Ein langes und tiefes Dunkel hatte einst Jahrtausende über der Menschheit gelegen, ein langes und tiefes Dunkel, das nur spärlich und zeitweise durch Strahlen göttlicher Gnade erhellt wurde. 

Und trotzdem hat die Menschheit niemals die Hoffnung aufgegeben, daß einst eine geistige, eine von der Gottheit kommende Kraft ihr geschenkt werde, die das Dunkel zerstreuen, die ihr helfen würde.

Es kam Bethlehem. 

Es wurde das Kind, das die Menschheit erlösen sollte, im Stalle geboren und von Maria, seiner Mutter, in eine Krippe gelegt; der Glanz der Engel führte die Hirten zum Stalle; sie unterwarfen sich dem Heiland und beteten ihn an. 

Der Stern leitete die Weisen aus dem Morgenlande zur Krippe und zum Kinde, daß sie ihm opferten. Welches Wunder! Wie tief war dieser Eingriff in die Menschheitsgeschichte, wie führte dies wunderbare Ereignis die Menschheit zu einer höheren Stufe der Entwicklung!

Ein rätselhaftes Wesen ist der Mensch. Wie oft handelt er gegen seine eigene, bessere Erkenntnis, mißachtet er die Wahrheit und das Gute und frevelt gegen Gott.

‚Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen, die guten Willens sind!‘

Nicht ohne Grund ist an die Spitze dieses Weihnachtswortes das Wort gestellt ‚Ehre sei Gott in der Höhe‘; nicht ohne Grund ist der Verheißung des Friedens dies Wort vorangestellt.

Der Friede ist uns nur verheißen, er wird uns nur gegeben, wenn wir zuerst Gott die Ehre geben, der innere Friede für jeden einzelnen von uns und der Friede für uns alle.


Ich glaube, wir alle denken zu wenig daran, daß zuerst Gott die Ehre gebührt; wir alle, gleich wo wir stehen, gleich was wir tun, müssen Ihm zuerst die Ehre geben, damit uns allen Friede werde.

In der Geschichte der Menschheit gibt es Perioden des lastenden Dunkels, der Unrast, des Unfriedens, der Angst; aber immer wieder hat der menschliche Geist, die menschliche Seele sich hindurchgerungen zum Licht und zum Frieden. 

Es ist in Wahrheit etwas Wunderbares um die Stärke, um die Kraft des Geistes und der Seele. Der Geist des Menschen, seine Seele, ist unüberwindlich, weil sie von Gott selbst stammt. 

Darum wollen wir nicht verzagen, wir wollen nicht mutlos werden, wenn wir des Weges gedenken, den wir durchschritten haben, und wenn wir des Dunkels gedenken, in das er hineinführt.

Denken wir an das Kind im Stalle, das den Menschen das Heil brachte, denken wir an den Glanz der Engel, denken wir an den Stern, der die Weisen zu Ihm führte.

Denken wir daran, daß die frohe Botschaft, die Christus uns brachte, der armen Menschheit das Heil und das Licht gebracht hat und ewig bringen wird.

Ehre sei Gott in der Höhe! Wir wollen Gott die Ehre geben, dann wird die Verheißung der Engel in Erfüllung gehen: Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind!“

Quelle: VRdS – leider nicht mehr aufrufbar

Eine bedeutsame Sammlung der Reden Adenauers finden Sie hier, auf der Website der Konrad-Adenauer-Stiftung.

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