Peinlich? Zwei Dinge, die mich in manchen Seminaren verlegen machen.

Géza Ákos Molnár 13. März 2017


Nummer eins. Seminar Verhandlungsrhetorik, Verkaufsrhetorik.

Im Seminar sitzen nicht Frischlinge, sondern schon sehr erfahrene Menschen, in ihrem Fach (meistens Technik und IT) ausgesprochene Experten, kluge Köpfe.

Und dann geht es in einem Modul um ganz allgemeine Dinge des Anstands. Immerhin können Kleinigkeiten große Auswirkungen haben. Im Guten, aber auch im Schlechten.

Und dann zaudere und zweifle ich: „Ich bin ja hier nicht im Kindergarten. Schau‘ Dir diese Männer hier an. Das sind doch alles wirklich gute Leute! Und dann glaubst du, du müßtest mit ihnen über über den richtigen Umgang mit Handys und Notebooks im Meeting reden? … und small talk oder Tischgespräche beim Arbeitsessen? Ist das nicht ein bißchen peinlich? Heißt das nicht Eulen nach Athen zu tragen?“

Ich muß mich dann überwinden und mir sagen: „Peinlich ist das nicht. Mach’ das Modul. Trau‘ dich!“ Leider habe ich Recht. Die Praxis lehrt mich, daß es nichts gibt, was auch uns erfahrenen Männern und Frauen passieren kann.

Ich erzähle ein kleines Beispiel, und ich betone vorweg: Ich war Augen- und Ohrenzuge, und ich übertreibe nicht. Es ist so geschehen.

Ich habe manchmal die Ehre, daß mich ein Unternehmen bittet, im Ausland ein anderes Unternehmen zu finden (Lieferanten, Support, Distributoren, was auch immer). Das ist eine Nebenwirkung meiner Trainertätigkeit auch im Ausland.

Bringe ich einen namhaften Unternehmer aus Bayern zu meinem Auftraggeber, einen ebenso namhaften Unternehmer in Ungarn. Achtung: Kultur! Clash of civilizations! Der stolze Bayer und der chauvinistische Ungar (ich darf das sagen, ich bin selber Ungar, wir sind wirklich aber sowas von chauvinistisch).

Alles gut, Gott sei Dank. Meeting nahezu perfekt. Es wird noch dauern, ein paar wichtige Details werden noch zu klären, ein paar Hürden zu überwinden sein.

Drei Wochen später. Der Bayer teilt mir zunächst vertraulich mit, daß sie doch nicht mitmachen wollen. Ich bin überrascht. Es folgen ein paar sachliche Begründungen. Da mir die Hürden überwindbar scheinen, frage ich dezent nach. Ich will das wahre Motiv erkunden.

Da verweist der Bayer auf einen kurzen Passus in einem typischen Männergespräch beim Mittagstisch (!!!). Ich hatte den Passus schon vergessen, er war harmlos und alle haben gelacht damals! 

Dieser Passus hat aber seine sehr ernste Nachwirkung gezeitigt, zumal ja nicht irgendwer mit irgendwem, sondern der stolze Bayer und der chauvinistische Ungar zusammengestoßen sind. Was war das Thema? Ein ganz typisches Männerthema.

Autos. Der Ungar fährt doch tatsächlich einen Ferrari. Allein, daß er das erwähnt! Du liebe Zeit auch! Dann folgt aber noch die Begründung: „Die Deutschen können ja nicht einmal Autos bauen!“ 

Bist Du fertig. 3 Fauxpas in 1 Satz unterzubringen – eine hohe Kunst in der Rhetorik. Aber Kunst zulasten der Gunst. (1) Die Deutschen, (2) … nicht einmal, (3) Autos bauen. Ausgerechnet! Der Bayer: In Budapest hat er gelacht. In Bayern hat er die Faust geballt und „mit mia net“ gebellt.

Ja – es gibt nichts, was uns „gestandenen Männern“ nicht passieren kann. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Darum, auch wenn’s mir manchmal peinlich vorkommt, ich erinnere lieber doch auch an die sogenannten „basics“. Sicher ist sicher.

Nummer zwei. Exzellente Seminarteilnehmer.

Da ich in Seminaren keine gruppendynamische Spiele spiele, gewinne ich für meine Runde viel Zeit zum Arbeiten am Thema. Da üben wir ausgiebig. Das ist anstrengend, aber gut. Es gehört dann zu meinen Aufgaben, substantielles, ehrliches Feedback zu geben. 

Und es passiert folgendes, das letzte Mal gerade vor zwei Wochen. Sind da im Rhetorikseminar unter sechs Teilnehmern ganze zwei, die wirklich ausgezeichnete Reden reden. Wir haben nur so gestaunt.

Und dann sitze ich vor ihnen und denken tue ich mir: „Ich weiß keinen einzigen Punkt, wo ich irgend etwas Kritisches sagen könnte. Wie peinlich ist das denn? Dieser Teilnehmer erwartet ja, und zwar mit Recht, daß ich ihm zeige, inwiefern er besser werden kann! Was tue ich nur?“

Nun, ich mache es dann so, ob peinlich oder nicht peinlich, ich weiß keinen besseren Rat:

Ich spreche das, was ich mir soeben still gedacht habe, laut aus. Daß die Rede so gut war, daß ich nicht einmal unterm Stichwort „Feinschliff“ sagen könnte, was an ihr zu verbessern wäre.

Klar, daß ich dann begründe und belege, was die Rede zur ausgezeichneten gemacht hat. Aber künstlich ein Negativum zu konstruieren, das ist mein Ding nicht.

Und abgesehen davon freue ich mich darüber. Denn Exzellenz steigert das allgemeine Niveau des Seminars. Und die Exzellenten sind verdientermaßen froh und stolz und bleiben motiviert und ermutigt auf ihrem Weg in die Zukunft unterwegs!

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