Unser Kommandant hatte einen Vogel. Eine tapfere Rede.

Géza Ákos Molnár 12. März 2015


Ich war ja oft in Auslandseinsätzen, UNO, NATO und so weiter. Heute erzähle ich Ihnen von einer Rede, die ich bei so einem Einsatz gehört und nie wieder vergessen habe. Davor noch eine Vorbemerkung:

Bei den Soldaten gibt es einen sehr guten, uralten Brauch:

Wenn etwas Besonderes geschehen ist oder bevorsteht, dann lässt der Kommandant die ganze Truppe antreten. Und er tritt vor seine Männer und spricht zu ihnen. 

Gut vorbereitet, wohl überlegt, kurz, knapp, knackig.

Das Besondere an jenem heißen Sommertag in der syrischen Steppe ist die Kommandoübergabe. Der alte Bataillonskommandant übergibt dem Neuen das Kommando. Das Bataillon der Golanis steht im Camp FAOUAR angetreten.

Das schlichte und feierliche Zeremoniell hat begonnen. Jetzt tritt der neue Kommandant, den die meisten Soldaten noch nicht kennen, ans Rednerpult. Im ersten Teil verliert er ein paar Sätze über den Sinn der Friedensmission der UNO im Nahen Osten.

Im zweiten Teil der Rede redet er über sich und wie er uns zu führen gedenkt. 

Höhepunkt war zweifellos die Schlusspassage, die er so gut formuliert hat, dass ich sie im Geiste auch nach vielen Jahren noch Wort für Wort höre.

„Männer! Sie wissen: Jeder Kommandant hat einen Vogel. Auch ich habe einen Vogel. 

Mein Vogel heißt Hygiene. Ich lege allergrößten Wert auf Sauberkeit und Ordnung. Ich schaue auf Ihre Stiefel. Ich schaue auf Ihre Adjustierung. Ich schaue in die Unterkunft. Und ich sehe alles. 

Und wehe, es ist nicht alles sauber und ordentlich.

Das ist mein Vogel. Ich will das Eine unbedingt und jeden Tag: Füttert meinen Vogel!

Denn geht es meinem Vogel gut, dann geht es mir gut. Und geht es mir gut, geht es Euch gut. Auf eine gute Zusammenarbeit im Bataillon. Herr Hauptmann, lassen Sie abtreten!“ 

Und es war dann wirklich so. Er, der Herr Oberstleutnant, hat sich im krassen Gegensatz zu seiner Position persönlich um etwas gekümmert, was wirklich überhaupt nicht zu seiner Aufgabe gehört hat: die Überprüfung der Hygiene der Soldaten und der Unterkünfte. Das ist ja der totale Zipf. 

Was löst das normalerweise aus? Allerhöchsten Unmut und allerschlimmste Gedanken des bitteren Missfallens der Soldaten gegen ihren Kommandanten. 

Was hat es in unserm beschriebenen Fall ausgelöst? Schmunzeln, Lächeln, im schlimmsten Fall ein wenig Unmut – und das war’s auch schon. 

Unser Kommandant war hochgeachtet und er konnte sich unserer Gefolgschaft sicher sein. Und glauben Sie mir: Seinen Vogel haben wir gerne fleißig gefüttert. 

Warum ist alles gut gegangen? Unter anderem, weil der Chef in dieser entwaffnenden Offenheit seinen persönlichen Vogel beim Namen genannt hat: „Auch ich habe einen Vogel. Mein Vogel heißt Hygiene.“ 

So konnte und wollte niemand böse werden, wenn sein Vogel herumzupicken begonnen hat. Denn ist  das Ungewöhnliche einmal ausgesprochen, ist es auch so gut wie ausgestanden. 

Zwei rhetorische Schlussfolgerungen:

  1. Übernehmen Sie wohlgemut diese so praktische Tradition: Gibt es etwas Besonderes in Ihrem Betrieb oder Team, versammeln Sie Ihre Leute, treten Sie vor sie hin und halten Sie eine „Feldherrenrede“ oder „Leadershiprede“ – gut vorbereitet, kurz, knapp, knackig.
  1. Sie haben einen Vogel, den Sie sowieso nicht mehr loswerden? Lassen Sie ihn fliegen und das tun, was er eben so tun mag. NUR: Sagen Sie es Ihren Leuten, dass Sie diesen Vogel haben! 

Das macht alle frei. Sie vom Druck und Ihre Leute vom Grimm. Und alle haben’s leichter. Analog gilt dasselbe für alle Hürden, Lasten, Bürden.

Das gute Wort des Chefs kann nicht immer alle Probleme lösen, aber es hilft sicher immer alle tragen.

Wenn Sie wissen wollen, wie man eine gute Chefrede gestaltet, ich zeige es Ihnen gerne individuell oder im Rahmen eines eigenen Seminars über 

„Die Feldherrenrede. Was sie ist, wie sie geht und was sie kann.“ 

Einfach mich kontaktieren, und wir machen das.

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