Géza Ákos Molnár 26. Juni 2023
Kleine Vorbemerkung: Ist Ihnen jetzt auch aufgefallen, wie schräg manche Formulierungen naturwissenschaftlich betrachtet sind: die Akustik unter die Lupe nehmen!?
Was es mit der Aufforderung oben auf sich hat, das erzähle ich Ihnen jetzt.
Ich war zu einem einstündigen Vortrag eines Professors eingeladen. Ich ging hin, weil ich den Professor gerne höre. Er hat immer etwas zu sagen, man kann von ihm immer etwas dazulernen, und unterhaltsam ist er auch. Eine Stunde mit ihm als Redner vergeht immer wie im Fluge.
Dieses Mal hat mir der Professor aber leid getan. Seine ausgezeichnete Rede wurde sabotiert. Ausgerechnet von der Akustik des Saales, vielmehr von der technischen Ausstattung des Saales.
Erstens mußten wir uns anstrengen, die Ohren auch wirklich gut zu spitzen, weil oft ganze Silben verschwunden sind, weil vom Raum verschluckt; manche Zitate und Fremdwörter haben wir schlicht nicht sinnerfassend vernehmen können. Es hat viel zu viel geschallt und viel zu mächtig gehallt.
Zweitens mußte sich der Herr Professor zweifach anstrengen:
Es hat eine Weile gedauert, bis er herausgefunden hat, in welchem genauen Abstand von seinem Munde er das Mikrofon zu halten hat, um aus dem Schlechten noch das Beste zu machen.
Und zusätzlich ist es für ihn natürlich physisch anstrengend gewesen, eine Stunde lang ein großes Mikrofon in der Hand zu halten. Am Ende der Rede war es mir, als hätte der Professor Schmerzen gehabt, weil er dann mit der linken Hand seine rechte Schulter massieren mußte.
Außerdem hat ihn das Mikrofonhalten am sonst für ihn typischen lebendigen Gestikulieren gehindert. Das wiederum hat die Dynamik seines Redestils behindert. Ach, wie schade!
Alles in allem: Es wurde mühsam für alle – und zwar „nur“ wegen der Akustik! Wer hätte daran gedacht?
1/ Vorher, vor der Rede also an die Akustik denken! Trage in Deine Checkliste der Redevorbereitung den Punkt AKUSTIK ein. Vorbeugen ist hier auch das beste Ding, um Dir das Reden und Deinen Hörern das Hören leichter zu machen.
Was heißt das praktisch? Erkunde im Vorfeld die Gegebenheiten. Und wenn Dir gesagt wird, Du würdest mit Mikrofon reden müssen, dann bestehe bei Reden, die mehr als ein paar Minuten dauern, auf eine Mikrofonhalterung, damit Du beim Reden beide Hände frei hast! Reden ist nicht nur ein Mundwerk, es ist auch ein Händewerk!
Am besten ist natürlich ein Headset, aber wie ich gesehen habe, gibt es das halt nicht überall.
2/ Vor allem dann, wenn Du der erste Redner der Veranstaltung bist: führe eine Sprechprobe durch.
Entweder vor Beginn der Veranstaltung. Und wenn das nicht geht, dann ganz am Anfang der Rede. Das kann man dann humorvoll unter Einbeziehung der Audienz machen und sympathisch und unterhaltsam gestalten. Das ist eine praktische Gelegenheit, daß Dich die Leute dort von Deiner rein menschlichen Seite her erleben.
3/ Prüfe, ob es nicht ganz ohne Technik besser ist! Technik ist ein Segen oder sie ist ein Fluch. Im Falle des Herrn Professors war es nämlich so: Ohne Technik wäre alles wunderbar gelaufen. Aber wir haben ja schon so eine Sucht nach Technik, daß wir glauben, ohne sie gar nicht mehr reden zu können.
Dasselbe erlebe ich zuhauf bei Hochzeiten und andern Feiern: Jede Musikergruppe glaubt, auch in einem kleinen Wirtshaussaal mittels mächtiger Boxen aus ihrer schönen Musik lauten Lärm machen zu müssen.
Analogie: 90 % aller Redner glauben heute, man könne ohne PowerPoint keine Rede halten und nichts präsentieren. Was für ein Irrglaube zu Lasten der Redner und ihrer Hörer!
Zurück in unsern Saal:
Der Saal dieser Professorenrede war im Jahre 1882 nach dem Scheunen- oder Schuhschachtelprinzip gebaut worden. Die Klangqualität ist in den Schuhschachtelsälen wegen deren genauen Maße ausgezeichnet.
Die Alten haben noch gewußt, wie sie bauen mußten, damit man Redner und Musiker gut hören kann. Mikrofone gab es damals ja noch gar nicht. Und doch hat alles wunderbar funktioniert.
Mein dritter Tipp also: Prüfe im Vorfeld und vor Ort, ob Du Technik, Mikrofon etc. überhaupt wirklich brauchst! Wenn Du sie brauchst, tritt Tipp Nummer 2 in Kraft.
Natürlich: Wo Technik ist, kann Technik ausfallen. Was ist Dein Plan B?
4/ Damit bin ich beim vierten Akustiktipp. Ich erzähle einen konkreten Fall. Wir sind bei einer Angelobung von Soldaten auf einer großen Dorfwiese in der grünen Steiermark.
Flache Wiese bedeutet rhetorisch beurteilt: schlechte Akustik. Hier nun ist die Technik klarerweise ein reiner Segen: Mikrofon, Mikrofonhalterung, Lautsprecher stabil aufgestellt und gut ausgerichtet.
Der Bürgermeister ist am Wort. Er redet und er redet. Plötzlich Stille auf der Wiese. Niemand kann den Bürgermeister reden hören. Warum?
Jemand ist wohl über das Kabel gestolpert, die Leitung zum Lautsprecher ist gekappt.
Was tut unser Bürgermeister? Er redet unverdrossen weiter! Nur hören tut ihn niemand mehr. Alle sehen nur, wie er seine Lippen bewegt und sogar gestikuliert.
Es scheint ihn absolut nicht zu kümmern, daß ihn niemand hören kann!
Ungefähr eine halbe Minute später hören wir ihn wieder, die Panne ist behoben worden. Eine ganze Redepassage fehlt nun aber doch.
Pannenhilfe: Hast Du einen Plan B?
Des Herrn Bürgermeisters Fehler: Mit Technikausfall hat er einfach nicht gerechnet. Einen Plan B hat er somit freilich nicht zur Hand. Und instinktiv ist ihm im Stress nichts Gutes eingefallen.
Mein Tipp: Geschieht etwas, wodurch Dich niemand mehr hören kann, dann stoppe sofort. Drehe Dich zu denen um, die nun vermutlich tätig werden müssen. Damit erkennen alle, daß Du souverän die Führung behältst.
Dann wende Dich optisch wieder den Hörern zu und warte aufrecht stehend und Deinen Blick zu Deinen Hörern gerichtet und ohne einen Funken von Nervosität zu zeigen.
Überlege Dir einen pointierten ersten Satz nach der Pannenbehebung. Sobald man Dir sagt, daß wieder alles funktioniert, liefere weiter ab! Und alles ist gut.
Schlagwörter: Technik, SCHUHSCHACHTELPRINZIP, Panne, POWER POINT, AKUSTIK, CHECKLISTE, MIKROFON, LAUTSPRECHER, REDEVORBEREITUNG, BÜRGERMEISTER, Redner, ANGELOBUNG, Tipp, SAAL.
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