Géza Ákos Molnár 25. März 2025
Landtag Kärnten. Ungefähr einen Monat nach dem islamischen Terrorangriff in Villach, bei dem ein Syrer einige Menschen schwer verletzt und einen 14-jährigen Burschen erstochen hat: Die Abgeordneten beraten und debattieren die Lage.
Am Wort ist der freiheitliche Abgeordnete Markus di Bernardo. Hier die Videoaufnahme dieser Rede:
Ausnahmsweise analysiere ich heute nicht die Rede. Mein Augenmerk gilt dem Dritten Präsidenten des Landesparlaments. Er hat die Rede des Abgeordneten unterbrochen, einzelne Formulierungen des Redners aufgegriffen, sie zurückgewiesen und den Redner ultimativ gewarnt.
Der Herr Präsident hat zwei Formulierungen beanstandet und in bezug auf beide geirrt. Zunächst in bezug auf die ‚Schuld‘, sodann in bezug auf das ‚Blut, das an den Händen jemandes klebt‘.
Die beiden Formulierungen in ihrem sinnvollen Zusammenhang:
‚Schuld‘ ist nicht nur eine strafrechtliche Kategorie, über die freilich nur Gerichte befinden können. ‚Schuld‘ ist auch eine ethische und moralische Kategorie, über die jeder strafmündige Bürger befinden kann und können muß.
Im Kontext der Rede Di Bernardos ist für jeden, der sinnerfassend zuhört, klar erkennbar, daß hier ‚Schuld‘ nicht im Sinne des Strafrechts gemeint war, sondern im Sinne der Kausalität, von Ursache und Wirkung, somit im Sinne der politischen Verantwortung.
Die entsprechende Kausalkette hat Di Bernardo in der Rede präzise beschrieben und logisch nachgezeichnet.
Näheres: „Schuld“, Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/wb/Schuld
Daß ‚Blut an den Händen von jemandem klebt‘, ist eine gebräuchliche Metapher und im Zusammenhang dieser Rede selbstverständlich sinnvoll zulässig zu sagen.
Im Rahmen der parlamentarischen Debatte kann man dann darüber ohnehin Argumente pro und contra austauschen; Grund für eine präsidiale Intervention, noch dazu ultimativ formuliert, ist diese Metapher in diesem Kontext sicher nicht.
Näheres: „an jmds. Händen klebt Blut“, Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/wb/an%20jmds.%20H%C3%A4nden%20klebt%20Blut
Meine Beurteilung: Der Herr Landtagspräsident hat an dieser Stelle nicht präsidiert, er hat politisiert, parteipolitisiert.
Nicht beurteilen kann ich, ob sich der Präsident gerade nicht konzentrieren konnte oder ob er die Bedeutungsvielfalt der Begriffe in der Rede des Abgeordneten nicht im Blickfeld hatte oder haben konnte.
Eins ist gewiß: Ein reicher Wortschatz hilft nicht nur jedem Redner, sich gut auszudrücken, geschickt zu artikulieren und klug zu argumentieren.
Ein reicher Wortschatz hilft auch, den Sinn dessen zu erfassen, zu erahnen, zu verstehen, was da jemand gerade gesagt hat. Je reicher unser Wortschatz ist, desto leichter tun wir uns dabei, sinnerfassend zuzuhören. Sinnerfassend zuhören zu können, ist für den Präsidenten eines Parlaments eine unverzichtbare Qualifikation.
Übrigens: Markus di Bernardo hat genial reagiert. Er hat (im Unterschied zum Präsidenten) zunächst innegehalten.
Er hat sich zu nichts Nachteilhaftem hinreißen lassen. Mit keinem Wort hat er sich oder seine Sache gegenüber dem Präsidenten verteidigt. Er hat nichts in seinem eigenen Sinne zurechtgerückt. Er hat die Irrtümer des Vorsitzenden nicht korrigiert.
„Danke für den Hinweis, Herr Präsident. Dann darf ich in meiner Rede weiterfahren,“ hat er gesagt, um sie dann so, wie vorbereitet, zu vollenden. Das nenne ich souverän.
Hinweis: Im Anschluß an diese Rede hat es eine kurze Debatte im Rahmen der Geschäftsordnung gegeben, die zur Kalmierung des Ganzen beigetragen hat. Damit Sie sich ein umfassendes Bild machen können, finden Sie die Aufzeichnung der ganzen Sitzung des Landtages Kärnten hier.
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