Die jungen Kecken und die alten Recken. Über lange Reden und ihr abruptes Ende.

Géza Ákos Molnár 4. Mai 2015


Junge Kecke stoppen zu lange Reden von alten Recken. Ohne Ansehen von Amt und Würde. Einfach nur, weil’s ja wahr ist: Zu lange Reden sind zu viel des Guten.

Zum Thema zwei kleine Anekdoten:

Geschichte Nummer 1

1990. Eine Übung der Offiziere des Korpskommandos I in der Kaserne von St.Michael in der Obersteiermark. Ich war damals mit dabei.

Ich weiß nicht mehr, welcher Narr auf die wirklich ulkige Idee gekommen war. Aber (auch der dumme) Befehl ist Befehl. Und der lautete: um 10 Uhr am Abend alles in den Lehrsaal. Vortrag von Oberst Tormanek: „Die Schlacht von St.Michael 1809.“

Die Offiziere sollen wissen, auf welch historischem Boden sie des Tags geübt haben. So viel Patriotismus muss sein. Auch um 10 am Abend.

Wie befohlen setzt der alte Oberst – ein stattlicher, respekteinflößender und zugleich warmherziger und humorvoller Mann – an, den geschichtlichen Vortrag zu halten. 

Vor ihm an die 40 Offiziere, die Höherrangigen ganz vorne, die Jüngsten ganz hinten. In der ersten Reihe sitzt der an k&k Zeiten gemahnende General Eduard Fally, ein Offizier der alten Schule, ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle.

Natürlich schlafen alle, die nun hören sollten. Man schaut, um Gehorsam zu mimen, dem Redner bei seiner Arbeit zu. Geistig ist man weit weg von St. Michael und seiner 1809er Schlacht, die außerdem eh nur ein Gefechtlein war.

Einer redet und alle sind still. Alle? Nein, denn nach drei Minuten schon hören wir aus der allerletzten Reihe einen der Allerjüngsten hier, den Leutnant mit dem lockigen Haar, rufen, frech und keck:

„Herr Oberst, reden Sie ruhig weiter! Es hört Ihnen ohnehin niemand mehr zu!“ 

Nun sind  wir alle ganz, ganz still. Die Offiziere, der General und der Oberst dort vorn. 

Der Oberst schaut zum Leutnant. Dann blitzschnell gleich zum General. Denn wenn sowas passiert, dann muss was geschehen. Der kommandierende General erkennt die Lage und fasst den Entschluss. 

Er bleibt sitzen und spricht mit fester Stimme: „Herr Oberst, ich danke Dir für den Vortrag. Wir sind über die Schlacht im Bilde. Lasse ins Offizierskasino abtreten! Alles auf ein Bier eingeladen.“ 

St. Michael hatte zwei Helden mehr: Den jungen Leutnant und den alten General. 

Geschichte Nummer 2

2015. Ein „e-book event“ von Schülern in den USA. Ein smarter Junge namens Osman moderiert die Versammlung. Neben ihm auf der Bühne: Der Präsident der USA, Barack Obama.

Der Präsident antwortet gerade auf eine Frage des jungen Mannes. Die Antwort artet zum Referat aus. Sehr spannend hat der Junge das nicht gefunden, wenn man seiner Mimik und Körpersprache traut. 

Und Respekt wenigstens mimen, das war einmal. 

Was tun daher? „Gut, ich denke, die Frage ist hinreichend beantwortet.“ packt Osman die Gelegenheit beim Schopf, als Obama auch mal Luft einatmen muss. 

Ja, Reden sollen erstens nach Maßgabe der Tageszeit und zweitens sowieso in gesunder Knappheit geliefert werden. Im Dialog genauso wie im Vortrag.

Und wenn Ihnen als Redner so ein kecker Abbruch widerfährt: Reagieren Sie beherzt wie der alte General Fally und der noch gar nicht so alte Präsident Obama.

http://www.youtube.com/watch?v=DM3pg1KoTgU
Nachtrag 2021: ach, wie schade: Video nicht mehr verfügbar.

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