Die politische Rhetorik und ein Buchtip: Gregor Gysi, Ausstieg links? Eine Bilanz.

Géza Ákos Molnár 11. Juli 2016


Vor eins, zwei Jahren hat der „Verband der Redenschreiber“ Gregor Gysi zum politischen Redner des Jahres gewählt. Warum das so ist, kann jeder leicht nachvollziehen, der auf youtube „Gregor Gysi“ eingibt und sich ein paar Reden gönnt. 

Er redet wirklich dienstleistend: Er redet so, daß ich mir sehr leicht tue, ihm gerne zuzuhören. Und das heißt was, denn ich bin ein überzeugter Gegner des Kommunismus. 

Meinen Klienten aus der Politik sage ich als rhetorischen Anspruch immer: Rede so, daß sich auch Deine Gegner freuen, daß jetzt Du jetzt drankommst! Und zugleich: Rede so, daß Dich Deine Gegner fürchten, weil Du wieder reden wirst! 

Wenn ich das sage, denke ich immer an Gysi. 

In seinem Buch „Ausstieg links?“ nimmt er uns an der Hand und führt uns durch sein politisches Leben. Da Gysi ein Meister des Erzählens ist, hat das Buch keine einzige langweilige Seite, wiewohl es in der Substanz immer in die Tiefe geht. 

Neben der Zeitgeschichte (DDR, Einheit Deutschlands, Etablieren der kommunistischen Partei im deutschen Parlament) lernen wir auch viel darüber, wie Gysi multipliziert. Ich meine damit, wie er Menschen gewinnt, überzeugt, wie er mit ihnen streitet und wie er mit ihnen nachdenkt, wie er mit ihnen ringt. 

Die Rhetorik spielt dabei eine entscheidende Rolle. Wie mache ich das in den Talkshows bei Meischberger und Jauch? Wie mache ich das am Parteitag? Wie im Parlament? Wie bei Interviews? 

Gysis reiche rhetorische Erfahrung und seine Schlußfolgerungen helfen uns Rednern sehr, und sie spornen uns an, uns rhetorisch auch entsprechend anzustrengen. 

Denn das gute Reden haben wir nie ein für allemal intus. Wir müssen es immer von neuem erwerben. Männer wie Gysi öffnen uns die Augen für das, was im Detail passiert, wenn wir so oder ganz anders reden. 

Sind Sie ein Multiplikator? Wer es ist, dem lege ich dieses Buch sehr ans Herz. 

Hier der Link zum Buch

Eine kleine Leseprobe, Buch, S. 52 f.

Wer verstanden werden will, muss das Vereinfachen lernen

Ich nenne Ihnen mal mein Lieblingsbeispiel. Unter der Regierung Schröder hatten wir eine Debatte – nicht übersetzt zur Veräußerungserlösgewinnsteuer. 

Zunächst hatten Kapitalgesellschaften diese Steuer in voller Höhe zu bezahlen. Inhaberunternehmen nur zur Hälfte. Aber das wurde geändert: Die Kapitalgesellschaften wurden befreit, Inhaberunternehmen hatten die Steuer voll zu bezahlen. 

Wenn man das so beschreibt, sehen natürlich 90 Prozent der Fernsehzuschauer schon weg und die Ohren sind zu.

Also gehe ich nach vorne und sage: „Nochmal ganz langsam, damit einer wie ich das auch versteht.“ 

Das ist dann wieder Selbstironie, wobei sicher auch noch eine Form von Arroganz dabei ist, denn ich weiß, dass ich mir diese Form von Selbstironie auch leisten kann.

Ich sage also: „Unter Kohl war es so: Wenn die Deutsche Bank einen Kaufpreis einnahm, musste sie dafür die volle Steuer bezahlen. Und wenn der Bäckermeister einen Kaufpreis bekam, musste er darauf die halbe Steuer bezahlen.  

Und ihre sozial-ökonomische Reform besteht darin, dass die Deutsche Bank nichts mehr zu bezahlen hat und der Bäckermeister das Doppelte bezahlen muss.“

Das versteht jeder! Und wissen Sie, was das Ergebnis nach meiner Rede war?

Zwanzig SPD-Abgeordnete rannten nach vorne zu Peter Struck, dem damaligen Franktionsvorsitzenden, und fragten, ob das stimmt. Ob es das ist, was sie in einer halben Stunde entscheiden. 

Bei „Veräußerungserlösgewinnsteuer“ klappten ja auch deren Ohren zu!

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