Die Rede am Grabe. Und Dietrich Mateschitz

Géza Ákos Molnár 31. Oktober 2022


Rhetorisch gesehen sind Begräbnisse eine wunderbare Schule der Rede. Hier begegnen wir auf jeden Fall Vorbildern. Nach ca. 250 Begräbnissen, die ich selber mitgestaltet habe, weiß ich davon viele Lieder zu singen. Wie sieht meine Statistik aus? 

Was machen schlechte Grabredner?

80% der Redner am Sarge  sind arge Vorbilder.  Von ihnen lernen wir, wie wir es auf keinen Fall tun sollen. Sie lobhudeln und bringen Lebensläufe. Wenn der Tote im Dorf prominent ist, dann hörst Du als trauernder Verwandter nicht nur nichts Neues – denn den Lebenslauf kennst Du eh. 

Du hörst das Nichtneue womöglich vier Mal hintereinander: vom Bürgermeister, vom Obmann des Kameradschaftsbundes, vom Schriftführer der Bienenzüchter, vom Kommandanten der Feuerwehr und so weiter. 

Das Lob? Nur Plattitüden: treu, fleißig, aufopfernd, humorvoll, einsatzbereit, immer so freundlich. Und so weiter. Sie kennen das. Wie ein schlampig dahingeschriebenes Arbeitszeugnis aus der HR-Abteilung der Firma. Selbst, wenn es wahr wäre, was sie da sagen, jetzt glaubt es keiner mehr – nach dem, wie sie es sagen. Grad, daß sie nicht sagen: „Er hat sich sehr bemüht.“ 

Was macht dagegen der gute Begräbnisredner? 

20% der Redner am Grabe sind gute Vorbilder. Von ihnen lernen wir, wie wir es gut machen können. Sie loben und erzählen eine oder zwei gut ausgesuchte Geschichten aus dem Leben des Verstorbenen. 

Das ehrt den Toten, das freut die Familie, da hören alle gerne zu und sie hören womöglich tatsächlich Neues über den Toten. Das ersetzt jeden Lebenslauf – ja, das überbietet ihn hundertfach. Das ist meine Erfahrung. 

Stellen Sie sich ein Begräbnis mit drei, vier oder fünf guten Rednern vor. Sie hören drei, vier oder fünf eindrucksvolle, spannende, berührende Geschichten. Aus verschiedenen Blickwinkeln sehen Sie den Toten lebendig vor sich. Das kann sogar, wenn mit Geschick und Takt erzählt, eine lustige Geschichte sein, die mitunter Weinende kurz lächeln läßt: „Ja, genau so war er!“ 

Werter Leser! Wenn Sie einmal berufen sind, am Grabe zu reden, schließen Sie sich bitte den 20% an und reden Sie gut. Selbst wenn Sie kein geübter Profiredner sind, können Sie da einen guten Dienst tun, indem Sie nur eines nicht machen: einen faden Lebenslauf mit traurig salbungsvoller Stimme runterzulesen.

Sie können einen wunderbaren Dienst tun, indem Sie nur eines machen: eine beispielhafte Geschichte aus dem Leben des Vestorbenen gut zu erzählen. Damit  tun Sie allen beim Begräbnis gut und Sie werden viel Dank erhalten für Ihre Worte. 

Und Sie werden auch selber das befriedigende Gefühl spüren, daß Sie dem Verstorbenen einen großen letzten Dienst erwiesen haben. 

Wie bin ich jetzt  auf dieses Thema gekommen? 

Auf dieses Thema bin ich gekommen, weil ich vorhin beim Surfen im Netz eine sehr beeindruckende Geschichte gelesen habe. Kontext: der Tod von Dietrich Mateschitz. 

Ich stelle mir vor, jemand bekommt nur ein paar wenige Minuten Zeit für eine der Begräbnisreden und er erzählt nur diese eine Geschichte. Das wäre so gut, daß keine Aufzählung aller Superlative dieses Mannes je dagegenhalten kann.

Dietrich Mateschitz und die Ziehharmonika

Ich erzähle Euch eine wahre Geschichte aus dem Leben eines jungen Mannes, der in seinem Leben ein einziges Mal dem alten Mateschitz begegnet ist. Und er hat’s nicht einmal bemerkt. Und das ging so:

Ein junger Mann aus einer einfachen Familie in Kärnten, von Beruf Mechanikerlehrling, ist grad 16 Jahre alt geworden. Stefan heißt er. 

Seine größte Leidenschaft ist die Ziehharmonika. Schon seit seinem fünften Jahr spielt er sie. 

Endlich hat er mit seiner Familie das Geld hart zusammengespart, um so eine wirklich gute professionelle Harmonika zu kaufen. Sein Lieblingsakkordeon kostet sage und schreibe vier tausend sechs hundert Euro. 

Die beste Quelle in Kärnten, die Kenner wissen’s:  die Harmonikafabrik Müller

Der Vater fährt mit seinem Sohn nach Bad St.Leonhard. Stefan probiert grad eine Harmonika aus, da kommen zwei Männer und eine Frau ins Geschäft. Sie lassen sich beraten. Da sie nicht so kundig sind, bitten sie die Verkäuferin, ein paar Instrumente vorzuführen. Sie kann aber nicht Ziehharmonika spielen. 

Sie geht schnell zu Stefan hin und fragt ihn: „Niemand von uns kann spielen. Würdest bitte Du uns auf eine paar Harmonikas vorspielen?“ 

„Freillich, gerne!“

Und Stefan hat sich eine Harmonika nach der andern geben lassen und so virtuos gespielt, wie die Drei es von einem Jungen noch nie zuvor gehört hatten. 

Der Ältere der beiden Männer entscheidet sich dann sogar für zwei Harmonikas. Nach dem Zahlen bedanken die Drei sich noch einmal bei Stefan und sie verlassen das Geschäft.

Stefan und sein Vater wollen nun ihre neue Harmonika bezahlen. Die Verkäuferin gibt ihnen die Rechnung. Und sie schaut Stefan mit fröhlichen Augen an und sagt: 

„Die Rechnung ist beglichen, die Harmonika bezahlt! Der ältere Herr vorhin, der war so dankbar und froh über Dein Spiel, daß er Dein Instrument gleich mitbezahlt hat. Als Dankeschön!“ 

Erst jetzt erfahren der Vater und sein Sohn, wer der unbekannte Mann war: 

Dietrich Mateschitz. 

So war dieser Mann. Ein ganz Großer! Und so bleibt er mir und vielen andern kleinen Menschen für immer in Erinnerung! 

Ruhe in Frieden, Dietrich Mateschitz! 

Werte Leser, ich unterstütze Sie sehr gerne, wenn Sie eine Rede bei einem Begräbnis oder einer Verabschiedung zu halten haben. Wenden Sie sich dann einfach an mich. Sie sind willkommen!

Quelle der Geschichte: https://www.pressreader.com/austria/kleine-zeitung-steiermark/20120209/281840050570246 

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