Naqoura – österreichische Geschichten aus dem Libanon. Erlebnisse sind zum Erzählen da.

Géza Ákos Molnár 30. April 2019


Alle, die Reden schreiben und Reden reden, wissen: Geschichten und Schilderungen in der Rede sind wie die Gewürze im Essen.

Es gibt Gott sei Dank Menschen, die haben eine Doppelbegabung: Geschichten im Leben zu entdecken, sie als Geschichten, die das Leben schreibt, wahrzunehmen und sie dann auch phantatisch zu erzählen.

Damit ich mich als Rhetoriker fit halte mit dem Geschichtenerzählen, lese ich sehr gerne Bücher von solchen Doppeltbegabten. Ich zeige Ihnen heute ein neues Buch eines großartigen Doppeltalents.

Es heißt Naqoura. Geschrieben hat es Franz Hammerbacher. 

Naqoura heißt das Camp im Libanon, wo österreichische Soldaten als Teil der UNIFIL-Truppen im UN-Einsatz dienen. 

Das Büchlein ist schlicht, tiefsinnig und lustig zugleich. Franz Hammerbacher war in diesem Einsatz. Und er hat dort ganz gewöhnliche und für die Subkultur Bundesheer im Auslandseinsatz ganz normale Geschichten wahrgenommen und sie als erzählenswert entdeckt. 

Naqoura ist eine wunderschöne Sammlung von lauter solchen kleinen Begebenheiten und Beobachtungen. Da ich über 10 Jahre hinweg auch bei vielen Auslandseinsätzen unserer glorreichen Armee gewesen bin, kann ich nur eines sagen: genau so trägt es sich zu, und Franz Hammerbacher hat es auf sensationelle Art zu Papier gebracht.

Weil ich von Subkultur gesprochen habe. Diese Subkultur Bundesheer im Einsatz ist selbstverständlich eingebettet in der Kultur der österreichischen Tradition, zumal des beamteten Heeres und somit des Beamtentums überhaupt. 

Beamtentum – und die österreichische Seele. Heer – und die hierarchischen Systeme. 

Wer einen weiten Horizont hat, weiß beim Lesen sofort, die Schilderungen zu abstrahieren und sie auf seinen Konzern, auf sein System und auf seine lieben „Kolleginnen und Kollegen“ zu übertragen und Dinge im eigenen Umfeld wahrzunehmen und für Reden zu entdecken – erzählenswert wie gerade die ganz alltäglichen Dinge erzählenswert sind, weil sie jeder gerne hört, weil da jeder leicht mitreden kann.  

Ich wiederhole das: Am liebsten hören wir bei den Dingen zu, über die wir mitreden können. Das liegt in der Natur des Hörers. Gute Redenschreiber beherzigen das immer. 

Zurück zum Buch:

Ich empfehle das Buch jedem, der ein guter Beobachter und ein guter Geschichtenerzähler sein will.

Statt den Inhalt gerafft wiederzugeben, habe ich hier ein paar Kapitel ganz zitiert. Quelle: Franz Hammerbacher, Naqoura. Miniaturen, Wien, 2018.

Aus dem Vorwort:

Im vorliegenden Buch werden Situationen und Szenen skizziert, wie der Mikrokosmos Bundesheer sie in steter Regelmäßigkeit zutage fördert. (S.7) 

‚Ist der Inhalt des Buches erfunden oder echt?‘, wurde ich einmal von einem Interessenten gefragt: ‚Meine Frau liest nämlich nur Geschichten, die echt sind.‘ 

Ich konnte ihm und ich kann den potentiellen … Lesern des … Buches versichern: Es ist alles real, nur die Namen und ein paar Haarfarben wurden geändert. … Aber jeder zitierte Satz ist tatsächlich so gefallen, jede erwähnte Handlung hat sich zugetragen. (S.9)

Kapitel: Ermahnung

Wachtmeister Karapott alias Johnny Lässig: ‚Fleiß ist Verrat am Kameraden.‘ (S.22)

Kapitel: Weinviertel 

Der Wirtschaftsunteroffizier unseres Kontingents ist ein Mann, von dem man alles haben kann, aber nicht sofort. Wer mit einem Ansinnen, wie etwa Bekleidungstausch oder Taggeldauszahlung an ihn herantritt, muss sich zunächst geduldig belehren lassen, dass dem Begehr zum jetzigen Zeitpunkt unmöglich entsprochen werden kann. Wer sich daraufhin kopfschüttelnd zurückzieht – was Unerfahrene immer wieder tun – , ist selber schuld. 

Zeigt man sich hingegen einsichtig und glaubhaft erschüttert von der Vielzahl an Begehrlichkeiten und Aufträgen, mit denen ein Wirtschaftsunteroffizier tagtäglich konfrontiert wird und äußert man zudem die reuige Bitte, die Unverfrorenheit des vorgebrachten Ansinnens höflichst entschuldigen zu wollen, bekommt man das Gewünschte zu guter Letzt doch. 

Diese Viertelstunde, die man untertänig ausharren muss, heißt Weinviertel. (S.23) 

Kapitel: Mehr!

Vizeleutnant Karabrutto stellt einen Antrag auf Zuerkennung von zwei ‚Werteinheiten‘ (so die verrechnungstechnische Bezeichnung für einen Besoldungszuschlag). 

In der Antragsbegründung listet er alle Tätigkeiten auf, die zu den planmäßigen Aufgaben seiner Funktion gehören. Mit anderen Worten: Der Mann will mehr Lohn, weil er genau die Arbeit verrichtet, die für seinen Posten vorgesehen ist. (S.26)

Kapitel: Kompanie dankt

Karapowski hat seine Rasierschaumdose im Waschraum vergessen. Sie war fast voll. Am nächsten Morgen steht sie immer noch da: fast leer. (S.48)

Kapitel: Weil der Mensch zählt

Oberst Karakoutnik, privat immer in knallroter Hose unterwegs, erklärt: ‚Für mich zählt der Mensch, nicht der Dienstgrad.‘ Der Gefreite Karasputnik pflichtet bei: ‚Mei Red.‘ (S.141)

Kapitel: Gruß

Der Gefreite Karavita grüßt einen Angehörigen des Sanitätstrupps und wird prompt vom Hauptmann belehrt: ‚Vor dem brauchen S‘ nicht salutieren, der hat keinen Dienstgrad.‘ Karavita erwidert: ‚Ich salutiere vor dem Mann, nicht vor dem Dienstgrad.‘ (S.142)

Kapitel: Lost and Found oder: Gebrauchsanweisung für ereignislose Tage

Der Spieß gibt bei der Standeskontrolle bekannt, es sei eine UN-blaue Schirmkappe gefunden worden. Wer die seine verloren habe, könne sie in der Kanzlei abholen. Tage später stellt er fest, die UN-blaue Schirmkappe, die (von ihm selbst) gefunden wurde, war seine eigene. (S.110)

Nachtrag: Ich empfehle folgende beide Bücher Franz Hammerbachers aus denselben Gründen wie Naqoura: „Bravo Hotel“ und „Passagen“.

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