Vučić zeichnet ein Pferd. Bosbach hat ein dickes Fell. 

Géza Ákos Molnár 11. Juni 2024


Ich zeige Ihnen heute zwei Metaphern, die ich in Interviews entdeckt habe. Das von Roger Köppel verantwortete Schweizer Magazin „Die Weltwoche“ lädt regelmäßig Politiker, Wissenschafter und andere Persönlichkeiten zu ausführlichen Interviews ein und stellt diese Gespräche ins Netz. 

Die besondere Eigenart dieser Interviews ist, daß die Journalisten nicht verhören, sondern fragen und daß die Befragten tatsächlich auch ausreden dürfen. Deshalb höre ich sie mir auch so gerne an. 

Weil es immer gut ist, Metaphern zu kennen, wenn man viele Reden hält und Menschen berät, zeige ich Ihnen heute zwei Metaphern, die ich in zwei Weltwoche-Interviews entdeckt habe. 

Eine Metapher des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, der davon erzählt, wie das war, als er als Kind ein Pferd gezeichnet hat. 

Die zweite stammt vom deutschen Politiker Wolfgang Bosbach, der zeigt, daß man schon auch mal ein dickes Fell braucht, aber daß es zu dick auch nicht geraten soll. Denn welche Folgen hätte das? 

Ich habe den Kontext transkribiert, weil es meistens gut ist, wenn man beim Zitieren weiß, in welchem Zusammenhang jemand etwas gesagt hat. Die Metaphern sind fett hervorgehoben

Den Kontext kommentiere ich nicht, mir geht es Ihnen gegenüber nur um die kreative Rhetorik der beiden: wie gut es ihnen gelungen ist, bildlich darzustellen, was sie ausdrücken wollten. 

Die beiden Metaphern lassen sich durchaus auch in einem andern Zusammenhang gut verwenden. Lesen und hören Sie hier:

Vučić zeichnet ein Pferd.

Weltwoche: And it is interesting, I mean, there are two philosophies now colliding. There are those who say we have to defend democracy against autocracy; and then there are the others who say we are living in a multipolar world with different countries, they are all our potential partners – and you would be a defender of this multipolar plurality? 

Vučić: I have one question for you. Can you watch in Switzerland let’s say chinese or russian tv? 

Weltwoche: We can see, we can; not in Germany, in Switzerland we can have Russia Today what’s in Germany – in Germany everything is forbidden.

Vučić: Okay. If it’s forbidden – is it democracy? And in Serbia you can watch the ukrainian tv, russian tv, chinese tv, but also american tvs, brits, swiss, french, german – whichever you want.  That’s your choice. 

Who is defining, what democracy is?

You know when I was, when I was very young, almost a kid, I was a very bad in drawing, painting whatever. Like totally untalented. And then I drew a horse. The horse didn’t look like a horse. I had to make an inscription down there saying: This is a horse.

And that’s what they do today. You know, when nobody sees that there are democratic forces they say: we are a democracy – and you are not, you know, and that’s it.

Quelle: dieses Video aus Juni 2024, TC 28:37 bis 30:27 

Bosbach hat ein dickes Fell.

Weltwoche: Während Corona waren viele, die kritisch waren gegenüber der Regierung, wurden als Corona-leugner, Verschwörungstheoretiker, Aluhüte beschimpft; dann waren die Rußlandversteher; die Putinfreunde waren an der Reihe und jetzt sind es die Nazis. 

Merken Sie, daß das Klima, das Meinungsklima, der Druck, der Tonfall in Deutschland rauher wird? Wie nehmen Sie das wahr? Wird es langsam unbequem in Deutschland?

Bosbach: Also vor allen Dingen in den sozialen Medien, füge hinzu, es ist aber nur eine Minderheit; eine laute, eine militante, aber immer noch eine Minderheit.

Und wenn dann die Daumen hochgehen oder Likes oder was weiß ich, fühlen sich die Leute auch noch bestärkt, einen draufzulegen. Schlecht ist es, wenn sich dann die Vernünftigen zurückziehen, weil sie sagen, mit diesem Niveau möchte ich überhaupt nichts zu tun haben. 

Also: Das Meinungsklima wird rauher. Aber ich hab‘ auch schon Wahlkämpfe erlebt, die wesentlich härter waren – wie mein erster Wahlkampf 1972 (also jetzt kommt „Opa erzählt vom Krieg“), aber das war ein ganz harter Wahlkampf.

Was wir in den letzten Jahren erlebt haben, war nicht annähernd so hart wie Anfang der 70-er Jahre. 

Weltwoche: Ist die Gesellschaft sensibler geworden? Wie beurteilen Sie das?

Bosbach: Ja, na, wir haben ja gerade schon erwähnt: Die neuen Medien spielen eine große Rolle. Es ist schon ein Unterschied, ob man sich wie wir Zwei unterhält oder ob man Brief mit Absender schreibt oder ob man unter dem Pseudonym Dagobert85 Leute wild beschimpft oder die wüstesten Thesen aufstellt. Ja, das, das ist schon ein Unterschied. 

Und das enthemmt, und die Leute glauben, die finden mich ja sowieso nicht, die können mich nicht enttarnen und dann lassen sie verbal die Sau raus. Das sind nicht viele, das sind nur wenige, aber die übertreiben es wirklich. 

Weltwoche: Was würden Sie jemandem raten, der sich nicht mehr getraut, seine Meinung frei kundzutun? 

Bosbach: Das ist eine sehr, sehr gute Frage. Also ich bin ohnehin Mitglied im Verein für offene Aussprache. Aber jetzt hat nicht jeder das dicke Fell wie ich; und das Fell darf auch nie so dick sein, daß man ohne Rückgrat stehen kann. 

Aber wenn die Vernünftigen leiser werden, dann werden die Unvernünftigen lauter.

Quelle: dieses Video aus April 2024, TC 22:41 bis 24:48 

PS: „Rückgrat“ erinnert mich an Charles de Gaulles. Über einen Minister hat er gesagt: Immer, wenn er in mein Büro gekommen ist, hat mich das Gefühl gepackt, ich müsse ihm mein Rückgrat leihen.

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