Géza Ákos Molnár 13. März 2017
Mein erster Chef war mein bester Rhetoriklehrer. Ich musste ihm immer Texte und Reden vorlesen, die ich, damals frisch von der Uni, furchtbar gescheit geschrieben hatte.
Mein Meister hat Augenmerk auf zwei Dinge gelegt: inhaltliche Logik und dass ich sprachlich einfach formuliere.
Unvergesslich, wie er mich einmal unterbrochen hat:
„Herr Molnár, lesen Sie diesen Satz noch einmal vor und denken Sie dabei an einen Arbeiter, der mit der Bierflasche in der Hand vor dem Fernseher sitzt!“
Ich bin versunken vor Scham. Das war richtig (und) gut!
Die Sache mit dem einfachen Formulieren ist modern geworden. Das ist gut. Denn wer etwas zu sagen hat, möge doch so nett sein, es verständlich und verstehbar zu tun.
Wer extra Arbeitszeit investiert, um sein Fachchinesisch, sein Bürokratendeutsch oder seine Juristenschachtelsätze so umzuformulieren, dass sie nach Möglichkeit jedermann leicht aufnehmen kann, möge sich folgender Unterscheidung achtsam bewusst sein (das ist hier ein Beispiel für so einen langen Satz, nicht wahr, aber er geht noch weiter):
vereinfachen und simplifizieren.
Vereinfachen heisst, dass ich den komplizierten Satz auf einfach umformuliere, ohne den komplexen Inhalt zu kürzen und ohne inhaltlich schlampig zu werden.
Die Vereinfachung ist gelungen, wenn der ganze Inhalt erhalten und präzise formuliert bleibt.
Simplifizieren heisst, dass ich auf simpel umformuliere, als schriebe ich für ganz Dumme. Ich verzichte dabei auf das eine oder andere entscheidende Detail. Ich nehme Grammatikfehler in Kauf. Ich rutsche in den Slang ab. Ich verflache den Stil und schöpfe nur mehr aus einem winzig kleinen Wortschatz meiner Sprache.
Ich bin vor ein paar Tagen auf eine Seite des deutschen Familienministeriums gestossen: Link
Ich zeige Ihnen anhand von zwei Beispielen, dass die Autoren hier (aufgerufen im März 2017!) nicht vereinfacht, sondern simplifiziert haben. Wenn Sie die Seite dort überfliegen, fallen Ihnen etliche weitere Beispiele leicht auf. Zitat:
„Alle Menschen in Deutschland dürfen mit-entscheiden.“
Weiter unten dann:
„Die Menschen sind fremden-feindlich.“
Ich simplifiziere, wenn ich für Ausländer falsch schreibe, nur damit sie leicht erkennen, dass hier zwei Wörter zu einem Wort zusammengezogen sind.
Der Strich zwischen „mit“ und „entscheiden“ (bzw. „fremden-feindlich“) ist falsch. Siehe Duden.
Ich vereinfache lieber, belasse das gute Wort „mitentscheiden“ („fremdenfeindlich“) und schreibe es ohne diesen Strich. Wozu lieber so? Damit die Leser von vornherein richtiges Deutsch lernen.
Denn wir wissen aus eigener Erfahrung, dass beim Lernen einer Sprache die visuelle Wahrnehmung von geschriebenen Wörtern eine wesentliche Rolle spielt.
Ausgerechnet mit der Simplifizierung machen es die Autoren hier für die Ausländer schwerer, die ohnehin schwere deutsche Sprache in Wort und Schrift richtig zu lernen.
Analoger Fehler: „Diese Seite ist vom Familienministerium.“
Reden wir schlampig, reden wir so, das stimmt. Es ist allerdings eine simple, schlampige Umgangssprache.
Im geschriebenen Text ist die schlampige mündliche Redensart zu vermeiden!
Einfach und korrekt formuliert heisst das: Diese Seite hat das Familienministerium gemacht (gestaltet, geschrieben, online gestellt). Oder: Das ist die Seite des Familienministeriums.
Keine Kleinigkeit mehr ist dieses Zitat:
„Und alle Menschen haben die gleichen Rechte. Und alle Menschen auf der Welt sind gleich.“
Bevor Sie weiterlesen: Wie denken Sie über diese zwei Sätze? Was fällt Ihnen auf, wenn Sie dabei an simpel und an einfach denken? „Und alle Menschen haben die gleichen Rechte. Und alle Menschen auf der Welt sind gleich.“
Hier fordert die Simplifizierung ein gewaltiges Opfer. Das Opfer ist der richtige Inhalt, der Sinn der Botschaft.
Simplifizierung heisst in der Praxis: Damit der Text nur ja kurz bleibt, damit das Denken nur ja nicht zur Arbeit ausartet, stelle ich die Dinge so verkürzt dar, dass sie schon falsch sind.
Das ist so, als würde ich sagen: Die Zahl pi ist 3. Die Abweichung von 3,14 scheint gering. Wer in der Praxis so rechnet, verrechnet sich und bringt viel Unglück.
Wer in der Praxis andere so zu rechnen lehrt, potenziert das Unglück ins Unermessliche.
In unserm Zusammenhang ist das auch ein eklatanter Kapitalfehler, denn es geht hier immerhin um die Lehre von Demokratie und Rechtsstaat; die Adressaten sind Immigranten. Und der Absender ist immerhin ein Bundesministerium, das dem Grundgesetz verpflichtet ist.
Sachlich sind beide Sätze falsch. Wer sie nun glaubt, geht irre. Und wir wollen nicht vermuten, dass hier bewusst falsch formuliert wird, um zu manipulieren und unsere Rechtsphilosophie, die auf dem römischen Recht fußt, marxistisch-leninistisch umzudeuten, oder?
Es ist nämlich so: Weder haben alle Menschen die gleichen Rechte (das Wahlrecht und das Niederlassungsrecht sind nur zwei Beispiele) noch sind alle Menschen gleich, schon gar nicht „auf der ganzen Welt.“
Will ich vereinfachen, schreibe ich den sachlich richtigen Satz: „Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich.“ Die präzise, einfache Formulierung geht konform mit dem Grundgesetz.
Will ich den zweiten Satz vereinfachen, schreibe ich in diesem Kontext sachlich richtig: „Alle Menschen der ganzen Welt sind gleich an Würde.“ Abgesehen davon ist ja wirklich jeder von uns anders.
Auch hier: Die simple Formulierung ist inhaltlich und rechtlich falsch. Die einfache Formulierung ist inhaltlich richtig und entspricht dem Grundgesetz.
Simpel oder einfach? Das ist eine Frage der Präzision in der Formulierung.
Liebe PR- und Marketingexperten, liebe Redenschreiber und Texter!
Es ist eine sehr gute Idee, den Lesern und Hörern die Dinge in einfacher Weise darzubieten. Sie tun allen gut, wenn Sie immer vereinfachen und nie simplifizieren.
Suchen Sie jemand, der das für Sie macht und Ihre Texte optimiert?
Kontaktieren Sie mich gleich. Ich tue das sehr gerne für Sie. Sie schicken mir den Text, ich lese ihn und vereinfache ihn einfach.
Weil das nicht simpel ist, arbeite ich mit dem Vier-Augen-Prinzip. Meine einfache Variante kontrolliert mein Kollege kritisch. Erst dann liefere ich Ihnen Ihren Text.
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