Géza Ákos Molnár 11. Mai 2020
Am 12. Juni 2020 wird Otto Schenk 90 Jahre alt.
Anläßlich der Herausgabe ihres gemeinsamen Buches zeigte der ORF einen Ausschnitt aus einem Gespräch der beiden Herren Michael Horowitz (H) und Otto Schenk (S):
Ich zitiere es (OS = Otto Schenk; MH = Michael Horowitz)
„OS: Mein großes Glück ist, daß ich mir mit meinem größten Hobby, das ich habe, mit dem Lesen, durch das Vorlesen eine zweite große Karriere gemacht habe. Also ich gelte als guter Vorleser. Es kommen Leute, und hören zu.
MH: Viele kommen.
OS: Es ist immer ausverkauft. Was mich ja immer wundert, warum geht man dorthin?
MH: Und heat an zua, der was vorlest. [Und hört jemandem zu, der etwas vorliest.]
OS: Ja.
MH: Na, du mußt gut sein, oder?
OS: Naaa, so gut bin i ja net. Aber man muß – verführen wollen.“
Genau das ist es! Schenk hat es auf den Punkt gebracht.
Was unterscheidet den total faden Vorlese-Redner von dem grandiosen Vorlese-Redner?
Man muß verführen wollen. Mit seiner Rede etwas bewirken wollen; mit seiner Rede etwas tun wollen. Und zwar an und mit den Leuten, denen die Rede eben gilt. Sonst wird das nichts!
Ich bin oft sehr zornig auf Redner. Nicht, weil sie etwa vorlesen. Nein – obwohl natürlich das freie Reden das Ideale der Rhetorik ist. Zornig bin ich, wenn der Redner schlecht vorliest. Da werde ich echt grantig. Weil das ist nichts anderes als Faulheit (er hat nicht geübt), Ignoranz (es interessiert ihn in Wirklichkeit nicht) und Arroganz (es interessieren ihn die Hörer nicht).
Otto Schenk: „Naaa, so gut bin i ja net. Aber man muß – verführen wollen.“
Merke Dir die zwei Gebote für Vorlese-Redner:
Mich drängt es jetzt, Ihnen von einem meiner Auftraggeber zu erzählen, vor dem ich allerhöchsten Respekt habe.
Er ist Unternehmer in seinen Sechzigern. Ein großartiger Techniker und mit seinen Entwicklungen Weltmarktführer. Zugleich ein ganz, ganz untalentierter Redner; vielleicht der untalentierteste, den ich überhaupt kenne; von freier Rede keine Spur.
Er will aber unbedingt reden. Mitarbeiter. Branchentreffen. Kunden. Er hat viele tausend, die ihm zuhören. Und das weltweit, also englisch und deutsch.
Was tut dieser Mann? Wenn wir die Rede fertig geschrieben haben, dann übt er sie mit mir ein. Und seine Frau erzählt mir, wenn wir mit dem Üben fertig sind, übt er seine Rede zu Hause noch weiter.
Und ich sage Ihnen: Ob er seine Rede über Video-Live-Stream hält oder in direkter Begegnung mit seinen Hörern, sie hängen an seinen Lippen. Er liest nämlich sehr gut vor.Otto Schenk: „Naaa, so gut bin i ja net. Aber man muß – verführen wollen.“
Otto Schenk, Das Buch. Ein intimes Lebensbild
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