Géza Ákos Molnár 8. März 2023
Ich sammle gerne gute kurze Geschichten und gute klare Sätze, die ich zitieren kann und solche, die die schon lange als Zitate weitergegeben worden sind.
Will ich ein neues oder schon lange tradiertes Zitat in eine Rede einbauen, gehe ich ihm zuvor auf die Spur. Sicher ist sicher.
Besonders wichtig ist das, wenn ich die Rede nicht für mich, sondern für jemand anders schreibe. Mein Auftraggeber muß sich ja auf mich verlassen können, daß alles seine Richtigkeit und seine Qualität hat.
Was tue ich also?
Ich zeige Ihnen ein Beispiel. Ich bekomme via WhatsApp eine der Graphiken zugesandt, die gerne verteilt werden. Ich lese:
„Ein Freund ist ein Mensch, vor dem man laut denken kann.“
Was tue ich, bevor ich ihn in meine Zitatensammlung aufnehme?
1/ Ich hinterfrage meinen eigenen positiven Ersteindruck: Ist das vielleicht doch nur eine abgedroschene Phrase oder hat das Tiefgang? Ist das eine küchenpsychologische Dummheit oder hat es nachdenkenswerte Substanz?
Festigt sich mein positiver Ersteindruck, geht es weiter.
2/ Ich prüfe, von wem der Satz stammt. In unserm Fall: Ralph Waldo Emerson.
3/ Ich prüfe, wer der Autor ist. R.W. Emerson, ein US-Amerikaner aus dem 19. Jh., u.a. Philosoph, damals und dort berühmt.
4/ Ich suche die ursprüngliche Version des Zitats. Ich finde heraus, daß es besser ist, das Original in die Sammlung aufzunehmen. Erstens sind es zwei Sätze, die wirklich zusammengehören, daher soll sie kein anderer Mensch scheiden:
„A friend is a person with whom I may be sincere. Before him I may think aloud.”
Und zweitens finde ich das „ich“ im zweiten Satz viel schöner als das „man“ in der mir überlieferten deutschen WhatsApp-Version. Ob ich das Zitat in einer Rede englisch und / oder deutsch zitiere, hängt dann vom Redner und von seiner Audienz ab. Wenn deutsch, dann sicher mit „ich“ im zweiten Satz.
5/ Zur Sicherheit prüfe ich noch, in welchem Zusammenhang das Zitat ursprünglich gestanden hat. In unserm Fall in einem Essay Emersons. Es heißt „Friendship“, erschienen 1841.
Nebenprodukt der Zitatenprüfung: Ich finde eine Sammlung anderer Zitate aus diesem Essay und die Website, die umfassend über Ralph Waldo Emerson informiert.
Ich weiß noch überhaupt nicht, ob ich diesen guten Doppelsatz jemals zitieren werde. Aber wie heißt es so schön, frei nach Joki Kirschner?
„Zitate machen glücklich, wenn man rechtzeitig d‘rauf schaut, daß man sie hat, wenn man sie braucht.“
Wenn Sie wollen, prüfen Sie nun dieses Kirschner-Zitat so, wie ich das Emerson-Zitat geprüft habe. Streichen Sie im Zitat das Wort „Zitate“ und setzen Sie dafür „Geld“ ein.
Nachtrag: Ein sehr bekanntes Beispiel für unvollständig Zitiertes ist jene Weisheit, die viele Fitnesstrainer tradieren und viele von Ihnen, werte Leser, kennen dürften:
„Mens sana in corpore sano.”
“Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper.“ Daraus machen manche gerne: „Ein gesunder Geist lebt in einem gesunden Körper.“ Oder: „Ein gesunder Geist und ein gesunder Körper gehören zusammen.“
Umso wichtiger, so einem Satz auf die Spur zu gehen, bevor man ihn in einer Rede zitiert – möge er noch so bekannt sein.
Herausfinden tut man dann u.a., daß er von Iuvenal stammt. Er war römischer Satiriker und hat um 100 n.Chr. herum gelebt.
In Wahrheit hat Iuvenal folgendes gesagt – und das macht einen riesigen Unterschied:
„Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano.“ „Wir müssen beten, daß ein gesunder Geist in einem gesunden Körper sei.“
Erwähnen unsere Sportlehrer und Psychosomatiker diesen Aspekt? Wie sollten sie, wird doch Iuvenal meist falsch zitiert?
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