Aus einer andern Zeit: eine Dankesrede Josef Meinrads

Géza Ákos Molnár 19. April 2023


2 Minuten und 33 Sekunden dauert die Dankesrede Josef Meinrads (1913–1996) nach Übernahme des Iffland-Ringes im Jahre 1959. Für mich ist diese Aufnahme ein bedeutendes Dokument der Geschichte der Rhetorik. 

Man spürt, wenn man alte Reden hört, sofort, daß auch die Art, wie wir Reden halten, ein Kind der Zeit ist. Das liegt zwar ohnehin auf der Hand; ein Erlebnis ist es aber allemal, wenn wir das auch mit unsern Sinnen spüren dürfen. 

Hören Sie zunächst Josef Meinrad. Weiter unten lesen Sie ein paar Anmerkungen zur Rede. Und ganz unten eine Anekdote über die Frage, wie der Iffland-Ring „wirklich“ zu Meinrad kam: ein typisch Wiener „G’schichtl.“

Was ist der Iffland-Ring?

Der Iffland-Ring ist wohl der bedeutendste Ehrenring für männliche Schauspieler deutscher Zunge. Er würdigt und zeichnet den Schauspieler aus, der gerade der beste im gesamten deutschen Sprachraum ist. 

Das bestimmt allerdings nicht das Publikum, nicht eine Jury und auch nicht ein Gremium des Kulturministeriums. Der Ringträger tut es, ganz allein. Er verfügt testamentarisch, wem der Iffland-Ring nach seinem Ableben zu übergeben ist. 

Werner Krauß hat Josef Meinrad erwählt. 

Die Übergabe am 29. Oktober 1959 erfolgt in würdigem Rahmen in Anwesenheit des österreichischen Bundespräsidenten.

Eine Rede aus einer anderen Zeit

Meinrad redet ganz schlicht und wunderbar schön. Meinrad redet einigermaßen leise und läßt uns ihm so umso aufmerksamer lauschen. 

Seine Audienz im Jahre 1959, Ehrengäste aus Kultur, Politik und dem sogenannten Bildungsbürgertum, versteht natürlich die Anspielungen und Andeutungen in der Rede alle. Der Zwischenapplaus und das Lachen zeigen das.

Da ich einmal eine Dokumentation über Josef Meinrad gesehen habe, in der auch ein Teil dieser Rede zu sehen war, weiß ich, daß Josef Meinrad ganz frei gesprochen hat.

Wenn Sie das Transkript weiter unten aufmerksam lesen, erkennen Sie leicht, daß Josef Meinrad nicht spontan geredet „und halt irgendwas gesagt“ hat.

Die besten Reden sind vorbereitete Reden.

Die Struktur der Rede, ihre Gliederung, die implizite Nennung Johann Nestroys („Zu ebener Erd‘ und der erste Stock“, eine Posse, die Meinrad oft gespielt hat) an passender Stelle beweisen: Meinrad hat sich profund vorbereitet und sich die Rede gut eingeprägt. 

Das achte ich umso höher, als Josef Meinrad sicher auch unvorbereitet einen „guten Auftritt hingekriegt“ hätte. 

Aber genau das zeichnet den wirklich guten Redner aus: Er will nicht eine „klasse performance hinlegen.“ 

Sondern? Er will gut reden: essentiell, emotional, ehrlich, ehrenhaft.

1959 und 2023: ein kleiner Vergleich

Der Burgschauspieler Josef Meinrad muß 1959 in der Dankesrede kein politisches „Bekenntnis“ ablegen: Er muß kein „Zeichen setzen“, keine „Haltung zeigen“ und sich von nichts und niemandem „distanzieren.“ 

Was einen Schauspieler damals auszeichnet oder auszeichnen darf, ist seine Schauspielkunst. 

Ihm, dem Schauspieler Meinrad, darf es, und ihm kann es in solch einem Rahmen im Jahre 1959 A.D. nur darum gehen, die Dichtung und das Schauspielen zu feiern und dem Publikum zu versprechen, mit allen seinen Fasern seinem Beruf  und denen, denen Dichtung dient (uns also) verpflichtet zu sein.

So beendet Josef Meinrad auch seine Rede mit einem großen Satz, den jeder kennt. Wen er dabei zitiert, braucht er im Jahre 1959 auch nicht zu erwähnen. Jedermann weiß, daß es der Dichterfürst ist: Johann Wolfgang von Goethe.

„Mein Rat“ oder „Meinrad?“ Das ist die Frage!

Beim Recherchieren der Übergabe des Ringes an Josef Meinrad fand ich eine Wiener Anekdote. Sie beruht darauf, daß Werner Krauß mit dem großartigen Schauspieler Oskar Werner eng befreundet gewesen ist. Ich zitiere Georg Markus:   

Das Tagesgespräch in Wien gipfelte in einer bösen Anekdote, die „belegen“ sollte, wie Meinrad zum Iffland-Ring gekommen sei: 

Als Werner Krauß auf dem Totenbett liegend gefragt wurde, wer nach ihm den Ring erhalten sollte, da sprach er mit letzter Kraft die Worte: 

„Mein Rat ist . . . “ – doch ehe Krauß den Namen Oskar Werner sagen wollte, war sein Leben ausgehaucht.

Wahr ist hingegen, dass Krauß schon am 3. Dezember 1954 bei der Bundestheaterverwaltung schriftlich deponiert hatte: 

„Ich habe den Wunsch, dass Josef Meinrad nach meinem Tode den Iffland-Ring erhält“, da dieser in seiner Schlichtheit und Wahrhaftigkeit der Würdigste ist. 

„Darum bitte, nehmen Sie den Ring, tragen Sie ihn und gedenken Sie manchmal meiner, Ihr Werner Krauß.“

Transkript der Rede Josef Meinrads am 29.10.1959

Iffland-Ring. Ich halte ihn in Händen, also muß ich es glauben, es ist wahr.

Es sind schon einige Tage her, daß man mich in die Bundestheaterverwaltung gerufen hat, um mir mitzuteilen, daß Werner Krauß die schönste Auszeichnung für unseren Stand mir hinterlassen habe.

Ich war fassungslos; und ich fasse es immer noch nicht. Ich weiß auch nicht, wie ich danken soll – mit Worten kann ich das bestimmt nicht. 

In meiner Bedrängnis hab‘ ich immer den Brief gelesen, den Werner Krauß an mich gerichtet hat. Den Brief, der einen ungeheuren Schatz für mich bedeutet.

Ich habe ihn immer wieder gelesen, um zu verstehen, was Werner Krauß wohl bewogen haben mag, diese Entscheidung zu treffen. 

Vielleicht wollte er damit das Burgtheater ehren, das er so sehr geliebt hat; vielleicht das Land ehren, das ihm zur zweiten Heimat geworden ist.

Vielleicht wollte er auch sagen – auf seine Art – daß die Bezirke des Humors nicht unbedingt Vorortekunst sein müssen. [Applaus] Vielleicht bin ich dabei gar nicht so wichtig.

Aber trotzdem bin ich mir der großen Verpflichtung und der Verantwortung bewußt. Ich werde die Angst nicht los, daß die ganze Ahnenreihe der Ringträger mir jetzt bei den Proben und bei den Vorstellungen zuschauen. [Audienz lacht.]

Ich werde noch den Text vergessen, wenn ich überlege, ob Werner Krauß damit einverstanden ist, was ich da [?]. 

Ich weiß auch nicht, ob ich erfüllen werde können, was er von mir erwartet. Ich kann nur versprechen, ich werde nicht aufhören, es zu versuchen.  

Und da mich dieser Ring jetzt sozusagen von der „ebenen Erd‘“ der Volkskomödie in den „ersten Stock“ der Dichtung hebt [Audienz lacht], so erlaube ich mir, mit einem Zitat zu enden, das mein Leben und meine Arbeit bestimmen soll:

„Was du ererbt von deinen Vätern hast,
erwirb es, um es zu besitzen.“

Quelle der Anekdote: Georg Markus, der am 19.02.2019 im Kurier die ganze Geschichte um den Iffland-Ring für Josef Meinrad erzählt hat.

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