Eine Tischrede

Géza Ákos Molnár 9. März 2015


Sie ist eine eigene Gattung von Rede. Sie wird am Tisch gehalten, vor dem Essen, zwischen zwei Gängen oder als Überleitung zum guten Trunk. Am berühmtesten sind wohl die Tischreden Martin Luthers, die einen ganzen Buchband füllen.

Kennzeichen einer modernen Tischrede ist, dass sie leicht bekömmlich ist und auf keinen Fall anstrengend. Die Gäste sollen sich an ihr delektieren und ihr Appetit soll angeregt bleiben – unbedingt. So viel Gastfreundschaft muss sein.

Manchmal misslingen Tischreden. Am leichtesten im Kreis der eigenen Familie. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich (Jahrgang 1962, aber eh nach Christus) einmal beim Mittagstisch das väterliche Wort ergriffen habe.

Ich hatte das Gefühl, es passt gerade. Und tatsächlich: Ich erhob meine Stimme, wählte gute Worte, blickte auf meinen damals 14jährigen Sohn; und er ward ganz still, sogar meine Frau blieb ganz still und unterbrach mich entgegen ihren Usancen kein einziges Mal, und ich vollendete meine kleine Tischrede mit dem wunderbaren Gefühl, einen göttlichen Augenblick erkannt und genutzt zu haben.

Und mein Sohn schaut mir tief in die Augen, und sagt nach einer kleinen Pause: „Papa, vorm Krieg war vieles anders!“

Da wir in diesen Tagen in den Medien mit vielen Worten zum Tag der Frau überhäuft werden, habe ich Ihnen eine kleine Familientischrede zum besagten Thema ausgesucht.

Guten Mut: Es ist nichts Ernstes. Ganz im Gegenteil. Obwohl – aber lassen wir das. Mehr will ich Ihnen nicht verraten. Außer das Eine: Loriot ist der Vater. Und er spricht bei Tisch zu seinem Sohn. 

Ergebnis: ähnlich wie bei mir vorhin. Wenn man’s resultatorientiert anschaut. 

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