Géza Ákos Molnár 23. Mai 2023
Ich zeige Ihnen heute Ausschnitte aus zwei Gesprächen. Was mir bei beiden aufgefallen ist: Die Herren haben die Dinge, die ihnen wichtig waren, sehr gut beschrieben und verständlich gemacht.
Gelungen ist ihnen das unter anderem mit dem Mittel des Unterscheidens. Damit wir wirklich richtig verstehen, was sie sagen, gehen die Männer auf Nummer sicher:
Sie präzisieren das, was sie gesagt haben. Sie zeigen den Unterschied zwischen dem Begriff, den sie gerade verwendet haben, und einem andern naheliegenden Begriff. Auf diese Weise definieren sie, erklären sie, verfeinern sie ihre Botschaft.
Aus dem zweidimensionalen Wort machen sie mittels Unterscheiden ein dreidimensionales Bild (ganz ohne PowerPoint!). Ich liebe das.
Indem sie unterscheiden, zeigen sie uns auch, daß sie jetzt nicht einfach so dahingeredet haben und das entscheidende Wort nicht einfach zufällig über ihre Lippen gekommen ist.
Was sie gesagt haben, haben sie bewußt so gesagt und nicht anders. Es war zuvor herangereift. Deshalb sind Unterscheidungen in vielerlei Hinsicht fruchtbar.
Mein Tipp für Sie: Wenn Ihre Rede darauf abzielt, daß Ihre Hörer etwas Neues lernen oder daß Sie sie für etwas Bestimmtes gewinnen, von etwas Bestimmtem überzeugen oder für etwas sensibilisieren wollen, dann treffen Sie explizit(e) Unterscheidungen.
[Desgleichen: Wenn Sie (junge) Menschen mit dem Ziel ihrer eigenverantwortlichen Mündigkeit prägen wollen, führen Sie mit dem Vorbild expliziten kritischen Unterscheidens. Davon kritisch zu unterscheiden ist das „Hände falten, Gosch’n halten!“]
Nebeneffekt: Damit vermeiden Sie – und jetzt unterscheide ich – autoritär anzukommen. Sie gewinnen vielmehr Autorität.
Denn unterscheidend zu reden heißt (ich unterscheide wieder:), die Richtung nicht apo-diktisch vorzugeben, sondern sie sym-pathisch zu weisen.
Apropos „weisen“: Beide Herren, die Sie bald sehen werden, sind schon weise geworden. Wer ein Gespür dafür entwickelt hat, spürt es.
Die beiden Herren, die ich beim Unterscheiden erwischt habe, tun das wie beiläufig. Sie tun es aber sehr bewußt und an der richtigen Stelle.
Und sie tun es wohl mit dem Ziel, daß wir besser verstehen, was sie meinen.
Oder sie unterscheiden mit dem Ziel, daß wir wissen, daß da etwas zu entscheiden ist zwischen dem „Entweder“ und dem „Oder“ einer Sache. Letzteres nennen wir fachchinesich „diakritisch“ unterscheiden, also zu zeigen, daß sich an dieser Stelle die Geister scheiden und wir heute vor eine Entscheidung gestellt sind.
Brigadier i.R. Josef Paul Puntigam, Offizier des Österreichischen Bundesheeres, habe ich im Sicherungseinsatz 1991 an der Grenze Österreich – Slowenien als einen menschlich und soldatisch ausgezeichneten Kommandanten und guten Kameraden erlebt. Ich habe ihn auch später noch oft vollmächtig reden gehört. Ich empfehle Ihnen, das ganze Gespräch mit ihm zu hören oder das Transkript zu lesen (siehe unten).
Dževad Karahasan, Bogumile aus Bosnien, nenne ich einen Lehrer des Lebens. Den großen Dichter, Philosophen und Dramaturgen aus Sarajevo und Graz, habe ich erst Anfang 2023 kennengelernt. Seine Geschichte vom Burekbäcker im belagerten Sarajevo habe ich vor einigen Wochen in diesem Beitrag hier online gestellt.
Gerade als ich an diesem Artikel hier gearbeitet habe, ist er am 19. Mai 2023 mit 70 Jahren in Graz verstorben. Ich bleibe ihm ewig dankbar dafür, daß er mich noch im März zu einem wunderbaren Gespräch in Graz empfangen hat. R.I.P.
Ich empfehle Ihnen, das ganze Gespräch Trojanow – Karahasan zu hören.
Hier nun die Beispiele trefflicher Unterscheidungen. Sie finden im Anschluß an die Zitate das jeweilige Video und um des Kontextes willen die entsprechenden Transkripte.
TC 6:30: Und als ich Soldat wurde, wußte ich vom ersten Tag an: Das ist das Meinige, genau so möchte ich mein Leben verbringen.
Und zwar nicht in der Unterordnung, sondern in der Einordnung. Und ich mußte mich nie unterordnen beim Militär, aber ich hab‘ mich immer eingeordnet.
Ich hab‘ als Kind gelernt, Hierarchien anzuerkennen – schon in der Schule – und hab‘ mich in diesen Hierarchien wohlgefühlt, weil ich wußte, wer ist wer, who is who.
Es gab keine Probleme damit – daß ich in der Verhaltensqualität, also in der Disziplin Schwierigkeiten gehabt hätte oder: Es war ein Gehorsam aus Einsicht; es war nie ein Gehorsam aus Zwang. Und deshalb fühlte ich mich wohl. TC 7:37
Kontext: Transkript Seite 3-4
TC 22:56: Das ist ja das Problem, daß vielfach Motivation dazu dient, daß die Leute mehr leisten anstatt, daß sie etwas lieber leisten. Denn es soll ja nicht mehr Arbeitsergebnisse geben, sondern die Qualität der Arbeitsergebnisse soll höher sein. TC 23:16
Kontext: Transkript Seite 9
TC 25:30: Und dazu sagt man: Menschenführung.
Und der, der führt, hat sich zu verhalten. Dazu sagen wir ja: Führungsverhalten. Das heißt, Führungsverhalten beinhaltet bereits den Begriff: Ich muß führen, und der Mensch will geführt werden, aber nicht kommandiert. TC 25:53
Kontext: Transkript Seite 10
TC 35:02: Ich bin keine Lichtgestalt. Ich bin ein Mensch wie jeder andere Mensch ist. Ich bin in vielen Bereichen nicht geeignet als Vorbild. Aber ich wollte immer in der Sache vorkämpfen. Ich wollte immer der sein, der für die Sache immer eintritt.
Vorbild ist immer auf die Person bezogen.
Vorkämpfer ist immer auf die Sache bezogen.
Und mir ging’s immer um die Sache, nicht um mich. TC 35:32
Kontext: Transkript Seite 14
Transkripte, Mitschriften von Gesagtem haben freilich einen begrenzten Wert. Hören Sie daher bitte, wie Herr Brigadier Puntigam das Zitierte gesagt hat! Sie finden diese Zitate im Video unter den angegebenen Zeitangaben (TC).
Außerdem ist es natürlich immer sinnvoll, die Zitate in ihrem Kontext zu sehen. Ich habe das ganze Gespräch transkribiert, Sie können es hier lesen: Transkript, oder sich das Video ganz ansehen. Empfehlen tue ich es gerne, vor allem Chefs aller Branchen.
TC 29:23: Ich glaube wirklich, daß die Literatur uns lehrt, wieder ethisch zu denken und zu fühlen.
Wir alle haben sicherlich seit langem gemerkt, daß uns eine ideologische Denkweise, eine ideologische Sichtweise aufgedrängt wird:
Die Taten haben ihren Wert nicht in sich. Die Tat bekommt ihren Wert durch den, der es tut. Das behauptet Ideologie.
Wenn wir morden – wir tun es aus der Liebe oder aus Versehen. Wenn wir eine Stadt zerstören, so, um Menschenrechte zu stärken.
Und wenn die Anderen etwas Gutes tun, dann wieder aus Versehen, denn sie sind nicht imstande, etwas Gutes zu wünschen.
Ein ethisches Denken funktioniert anders:
Das ethische Denken glaubt, weiß, daß die Tat ihren Wert in sich trägt. Auch wenn ich eine Schweinerei gemacht habe, bleibt es eine Schweinerei. Wenn ich ein Verbrechen verübt habe, bleibt es ein Verbrechen; auch wenn Unsere es getan haben. TC 31:15
Auch hier schlage ich vor: Hören Sie, wie Dževad Karahasan es gesagt hat! Sie finden dieses Zitat im Video unter der angegebenen Zeitangabe (TC).
Natürlich ist es immer sinnvoll, ein Zitat in seinem Kontext zu sehen. Ich habe diesen Gesprächsabschnitt von Trojanow mit Karahasan transkribiert, Sie können es hier lesen: Transkript, oder sich das Video ganz ansehen. Empfehlen tue ich es sehr. Voraussetzung: Muße. Dann erleben Sie eine erfüllte Zeit.
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