Géza Ákos Molnár 13. November 2024
Ich bin der beste Beweis dafür, daß man nie auslernt. Ich habe mich vorgestern beim Nichtwissen ertappt und dann sehr Interessantes dazugelernt. Das für mich ganz Neue will ich heute mit Ihnen teilen.
Obwohl ich ein alter Lateiner bin, dazu ein alter Grieche und auch ein alter Hebräer – habe ich noch nie in meinem Leben valde miramur gehört, geschweige denn gewußt, was es mit dieser lateinischen Formel auf sich hat.
Valde miramur ist eine faszinierend nützliche Formel, will man oder muß man einmal jemanden oder etwas öffentlich vernichtend kritisieren, sich dabei aber gepflegt und nobel ausdrücken.
Ich lernte das von Roger Köppel, dem Schweizer Chefredakteur der Weltwoche. Und der hat’s grad am Wochenende von niemand geringerem erfahren als von Gerhard Schröder, dem Altbundeskanzler Deutschlands.
Köppel war das so neu, daß er die Formel in seiner Weltwoche-Sendung fehlerhaft wiedergegeben hat und immer valde miramus statt valde miramur gesagt hat. Er wird diesen Fehler am darauffolgenden Tag korrigieren (gleich am Beginn seiner Sendung am 13.11.2024).
Hören Sie am besten Roger Köppel selber erzählen und erklären, woher die Formel valde miramur kommt und wozu sie dient. Unter dem Video finden Sie mein Transkript des Abschnittes TC 0:44 bis TC 5:00.
Bereichern auch Sie Ihren Wort- und Formelschatz mit der alten lateinischen Formel vernichtender Kritik: valde miramur. So macht Kritisieren sogar auch ein bißchen Spaß. Guten Mut: Verwenden Sie diese Formel ruhig auch vor Menschen, die sie gar nicht verstehen – sie werden kommen und nachfragen. Köppel hat ja auch nachgefragt.
Anm.: Ich ersetze hier das miramus immer durch miramur.
TC 0:44. Ich habe gestern abend telefoniert mit dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder, um diesen jahrzehntelangen Vertreter und nach wie vor treuen Sozialdemokraten zu fragen, wie er eigentlich die Zustände momentan in der Bundesrepublik beurteilt.
Das ist ja schon ein ziemlich wirres Spektakel, was sich einem da bietet. Und man kann sich da durchaus erhebliche Sorgen machen über den Zustand der politischen Klasse; und vor allem kann man sich die Frage stellen, ob da die wesentlichen Protagonisten eigentlich begriffen haben, worum’s geht, was auf dem Spiel steht und was letztlich für die Grundlage all dessen, was in Deutschland sozusagen die ganze Stabilität des Landes ausmacht.
Auch das Ansehen des Landes, nämlich die wirtschaftliche Prosperität, die gewaltige Wertschöpfungskraft; diese Bundesrepublik, die ja aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs wie ein Phönix aus der Asche emporgestiegen ist, ob sich die jetzt für befähigt erachtenden Politiker tatsächlich den Ernst der Lage erkannt haben.
Ich glaube nicht, daß das der Fall ist. Das klingt jetzt sehr überheblich, aber ich werde das gleich belegen können.
Aber ich bin eingestiegen mit Gerhard Schröder. Gerhard Schröder ist natürlich ein sarkastischer Mensch, der immer auch mit ironischen Andeutungen und manchmal auch auf den ersten Blick etwas rätselhaften Formeln dann doch eben treffsicher den Mißstand präzis benannt hat.
Und ich hab‘ ihn also gefragt: Wie sehen Sie jetzt das da mit der Ampel? Mit Ihrem Nach-Nachfolger Olaf Scholz und dieser vermurksten Aufgleisung da der Neuwahlen, wo sich alle schon wieder Vorwürfe machen, wir sogar den Befund hören, man könne gar keine Mißtrauensabstimmung durchführen beziehungsweise keine Neuwahlen, weil es an Papier fehle in der Bundesrepublik.
Auch das noch! Es hat kein Papier mehr! Ja gut, das wäre zumindest für all jene eine gute Nachricht, die unter dem Papierausstoß der deutschen Bürokratie und insbesondere der Steuerbehörden leiden, aber da das ja heute auch über den elektronischen Informationskanal entsprechend ausgetauscht wird, ist da auch nur bedingte Linderung zu erhoffen. Aber es hat schon eine ganz absurde Note.
Und Gerhard Schröder sagt einen Satz, den ich noch nie gehört habe bis dahin auf meine Frage, nämlich: Valde miramur.
Valde miramur! Das war der Kommentar, das ist der Kommentar von Altkanzler Schröder zu den Vorgängen, zu den Wirren, zu den Turbulenzen in Deutschland, ja, zu dem forcierten, sich abzeichnenden Machtwechsel, zum Lichterlöschen bei der Ampel.
Valde miramur!
Und ich habe dann natürlich gefragt: Was heißt valde miramur? Und er hat’s mir dann erklärt, Bildungsbürger, der er ist:
Ja, das ist eine Formel der katholischen Kirche, lateinisch, und zwar eben der katholischen Kirche, der er ja selber gar nicht angehöre. Und das sei wörtlich zu übersetzen mit: Wir wundern uns sehr.
Wir wundern uns sehr über das, was gerade in Deutschland passiert. Mehr wolle er dazu nicht sagen.
Ich habe dann etwas recherchiert. Was heißt valde miramur? Ja, und valde miramur war sozusagen das Todesurteil, die härteste Kritik, die der Vatikan äußern konnte mit dem ganzen Gewicht dieser jahrtausendealten Institution, wenn irgendwo ein fehlbarer Kleriker da in der Herde identifiziert werden konnte:
Valde miramur! Wir wundern uns [sehr]! – Als vernichtende Zensur zu dem, was sich da zum Erstaunen, ja auch Entsetzen vieler Beobachter in Deutschland vollzieht. TC 5:00
Schlagwörter: ROGER KÖPPEL, WELTWOCHE, LATEIN, FORMEL, VALDE MIRAMUR, Video, Tipp, Transkript, Kritik, Gerhard Schröder.
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