Géza Ákos Molnár 19. März 2019
MINT ist die Abkürzung für die Fächer, für die wir viel mehr Propaganda brauchen: Mathematik – Informatik – Naturwissenschaften – Technik.
Wir brauchen in den MINT-Fächern Redner und Schreiber, die die Erkenntnisse dieser Fächer so formulieren, daß sie Laien auch verstehen können.
Ich präzisiere: … wenn die Laien die neuen Erkenntnisse nicht verstehen können, sie allerdings wenigstens spüren, welch unglaubliche Dinge sich in der Schöpfung und in weiterer Folge in der Technik tun.
Wenn sie die MINT-Wunder kraft guter Reden guter Naturwissenschafter und Techniker spüren, auch ohne die Dinge sofort rational und logisch ganz zu verstehen, dann erleben auch die Laien etwas, was Menschen von Babyalter bis zum Greisenalter gerne erleben: sie staunen.
Wenn ich einem Naturwissenschafter eine Rede vorbereiten helfe, frage ich ihn, ob wir das als ein Mindestwirkungsziel formulieren dürfen:
„Ich will, daß meine Hörer darüber staunen, was wir da entdeckt haben.“
Wer Menschen staunen lassen will, formuliert von vornherein anders und tut sich leichter, erzählend zu erklären.
Jeder Mensch staunt gerne. Staunen ist schön. Und der Effekt?
Wer staunt, wird neugierig. Und er sucht weiter. Er will erkennen, wissen, erfahren, was da los ist. Und das eine und andere wird er dann doch auch rational zu verstehen beginnen. Und dann auch fähig sein, anderen davon zu erzählen, seinen Kindern zum Beispiel.
Darum kann dann das Hauptwirkunsgziel der Rede sein:
„Ich will, daß meine Hörer die Dinge so verstehen, daß sie sie dann auch weitererzählen können.“
Wenn MINT-Wissenschafter Menschen staunen lassen, dann tun sie das in dem Maße gut, in welchem sie Vergleiche machen und Beispiele erzählen.
Es ist ganz normal, daß wir Vergleiche, Bilder, Beispiele brauchen, wenn wir etwas Neues auch verstehen wollen.
Gute Redner investieren viel Anstrengung ins Suchen von guten Beispielen, die aus dem Leben gegriffen sind. Oder solche Beispiele, die an das grundlegende Allgemeinwissen anknüpfen, das man durchaus voraussetzen darf und soll. Denn Achtung: Niveau muß immer sein! Wehret der billigen Populärwissenschaft!
Ich habe ein Interview entdeckt, das wirklich gut ist, weil der Chemieprofessor, eine geniale Kapazität, hier hohes Niveau gehalten und wissenschaftlich seriös informiert hat, und zwar in einer so sympathischen und spannenden Erzählweise, daß ich es Ihnen zeigen will.
Wie ich darauf gestoßen bin? Zugegeben, mich hat beim belanglosen Herumsurfen die Schlagzeile gereizt, die auf dieser Massenwebsite wohl manipulativ sein muß, damit meinereiner weiterklickt:
„Wir sind nicht allein im Universum“
…war die große fette Schlagzeile.
Dieser Zweck heiligt dieses Mittel, zumindest auf orf.at.
Es geht dann freilich nicht wirklich um die Außerirdischen. Nur am Rande.
Es geht um etwas, von dem ich (Asche über mein Haupt) nicht gewußt habe, daß das sogar eine eigene wissenschaftliche Disziplin ist: supramolekulare Chemie.
Der hochdekorierte Nobelpreisträger Jean-Marie Lehn erzählt im Interview von dieser supramolekularen Chemie.
Wissen Sie, warum ich das Interview ganz gelesen habe? Aus einem einzigen Grund: Der Mann hat das wirklich gut erklärt.
Wissen Sie, inwiefern?
Weil der Mann sich wohl immer die Arbeit angetan hatte, seine Erkenntnisse aus Fachchinesisch in eine allgemein verstehbare Sprache zu übersetzen und gute Beispiele zu bringen.
Nach Jahrzehnten guter didaktisch-rhetorischer Arbeit hat er wohl mittlerweile viele Beispiele parat, wenn er sie braucht. Die Arbeit in jungen Jahren hat sich gelohnt.
JEDE REDE SEI IMMER EINE DIENSTLEISTUNG! DAS IST MEIN 1. RHETORISCHES GRUNDGESETZ!
Und Jean-Marie Lehn ist eines der großen Vorbilder, die dieses rhetorische Grundgesetz erfüllen:
REDE SO, DASS SICH DEINE HÖRER LEICHT DABEI TUN, DIR GERNE ZUZUHÖREN!
Als kleines Beispiel hier die Antwort von J.-M. Lehn auf die Frage eines Reporters, was denn supramolekulare Chemie überhaupt sei:
„Zunächst muss man sagen:
Supramolekulare Strukturen hat es immer gegeben – und die supramolekulare Chemie ist einfach das Studium dieser Strukturen.
Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel: Ein Molekül Wasser besteht aus zwei Wasserstoffatomen und einem Sauerstoffatom, HOH.
Ein isoliertes Molekül Wasser kann nicht gefrieren, es kann nicht sieden, es hat keine Viskosität und keinen Brechungsindex.
Ein Glas Wasser hat das alles. Es gefriert, siedet, es hat eine Viskosität und einen Brechungsindex.
Was ist der Unterschied? Es ist die supramolekulare Struktur: Ein Glas Wasser ist ein Ensemble von Molekülen, die miteinander in Wechselwirkung stehen.
Das ist eine höhere Stufe der Komplexität – und deshalb entstehen hier Eigenschaften, die es bei einem einfachen Molekül nicht gibt.“
MINT – Männer, MINT – Frauen: redet, schreibt! Redet gut, schreibt gut! Gut in meinem Sinne hier!
Für den Fall, daß es nicht mehr online ist, finden Sie es hier herauskopiert.
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