Eine Rede vor 50 Jahren – als wäre sie von heute. Enoch Powells Rivers of Blood – Speech.

Géza Ákos Molnár 18. März 2019


Wir schreiben das Jahr 1968 und sind in Birmingham, um einen Abgeordneten des britischen Parlaments und das Mitglied im Schattenkabinett des Konservativen Edward Heath zu hören.

Wegen der fulminanten Aufmerksamkeit, die dieser Rede zuteil wird, hat sie bald einen Namen:

The Rivers of Blood  – Speech.
Der Redner heißt Enoch Powell (1912 – 1998).

“Like the Roman, I seem to see ‚the River Tiber foaming with much blood‘.” Diesem Virgil-Zitat gegen Ende seiner Rede verdankt die Rede ihren Markennamen. 

Thema dieser Rede sind die ernsten Folgen der massenhaften Immigration aus den Commonwealth – Staaten in das Vereinigte Königreich und die aus Überzeugung Powells unbedingt und unverzüglich zu ergreifenden Maßnahmen zur Abwendung großer Not.

Rhetorisch ist diese Rede ausgezeichnet. Sie finden weiter unten meine Analyse dieser Rede, die das „ausgezeichnet“ substantiell und detailliert begründet.

Historisch ist diese Rede hochinteressant, weil sie hochaktuell ist. Die Rede Powells ist geradezu prophetisch. Die Zahlen und Details haben sich geändert, das Thema, die Dringlichkeit und die Zukunftsaussichten bei Nichthandeln sind heute spätestens seit 2015 dieselben wie damals 1968.

Wirkungsgeschichtlich ist diese Rede ebenso frappierend mit der heutigen Reaktionskultur in Medien und Politik vergleichbar. Eine sachliche Auseinandersetzung über diese Themen darf schon vor 50 Jahren nicht stattgefunden haben. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ich hole aus: Enoch Powell hat diese Rede 1968 vor einer Versammlung seiner Conservative Party in Birmingham gehalten. Enoch Powell war damals bereits ein verdienter, lang gedienter und im ganzen Land hochbekannter Politiker.

Laut Berichten hat Powells Rede große Dankbarkeit in weiten Teilen der Bevölkerung ausgelöst, in der eigenen Partei waren die Meinungen in der Sache einhellig, in der möglichen Auswirkung differierend. 

Langer Rede kurzer Sinn: Edward Heath hat ihn mit folgender Begründung aus seinem Schattenkabinett (übrigens gegen den Rat Margret Thatchers!) entlassen:

“I dismissed Mr Powell because I believed his speech was inflammatory and liable to damage race relations. I am determined to do everything I can to prevent racial problems developing into civil strife … I don’t believe the great majority of the British people share Mr Powell’s way of putting his views in his speech.”

Ein Unglück kommt selten allein. Das besondere Pech Powells war, daß er an ein Detail keine einzige Sekunde lang gedacht hatte: an das Datum der Rede: 20. April. Und daraus – und das ist auch heute noch dasselbe – haben sie ihm den Strick gedreht.

Gute Redner wissen, daß der Preis für gute Reden manchmal sehr hoch ist. Das ist nicht nur in der Politik so. Das ist auch in Konzernen so und in Institutionen, überall dort, wo die Interessen woanders liegen als in Leitbildern und in PR-Broschüren derselben beschrieben.

  1. Lesen Sie hier die Rede in englischer Sprache und in deutscher Übersetzung: PDF Transkript. Die Absätze sind nummeriert.
  2. Die Analyse der Rede (PDF) nimmt auf die Zählung der Absätze im Transkript bezug.
  3. Das o.a. Zitat Edward Heath und weitere Details über die Geschichte dieser Rede sehen Sie auf Wikipedia.
  4. Video-Ausschnitte der Rede, die nur zum Teil aufgezeichnet und dann leider mit dramatisierender Musik unterlegt wurde, sehen Sie hier:
  1. Die ganze Rede hören Sie hier: 

Nachtrag 2021: Im Zuge der Neuedition dieses Artikels bin ich auf eine alte Talkshow gestoßen, an der Enoch Powell teilgenommen hat. Es geht dort auch um diese hier besprochene Rede. Wenn es Sie interessiert, hier ist die Talkshow zu sehen

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