Géza Ákos Molnár 13. Jänner 2024
Herr Wolfgang Schäuble ist am 26. Dezember 2023 verstorben und ist am 5. Jänner 2024 in seiner Heimatstadt Offenburg beerdigt worden.
Der große Staatsakt im Gedenken an einen der Väter der Wiedervereinigung Deutschlands, an den Bundesminister und Bundestagspräsidenten und bis zu seinem Ableben Mitglied des Bundestags wird am 22. Jänner 2024 im Reichstag zu Berlin stattfinden.
Eine der Reden während des Trauergottesdienstes in der Evangelischen Stadtkirche zu Offenburg fand ganz besonderen Nachhall. Es war die Rede von Frau Christine Strobl, der ältesten Tochter des Verstorbenen.
Viele Medien erwähnten ihre berührenden Worte und zitierten aus ihrer Rede. Auch meine Überschrift oben ist ein Satz aus dieser Rede.
Ich erlaube mir ein paar rhetorische Anmerkungen niederzuschreiben.
Das Besondere an dieser Rede ist eine inhaltliche Entscheidung der Rednerin. Sie erzählt uns die letzten Tage des Lebens ihres Vaters. Sie tut das ganz offen und zugleich unter respektvoller Wahrung der diskret zu haltenden Details.
Sie gewährt uns einen besonderen Blick in die ganz persönliche Sphäre des todkranken Herrn Schäuble und seiner Familie.
Wir erfahren, daß er sich darüber ganz im klaren ist, daß er sehr bald sterben wird. Ja, daß auch seine ganze Familie weiß: Das sind unsere letzten Weihnachten mit ihm.
Schon diese Entscheidung ist eine, von der man weiß, daß ihre Ausführung jeden Menschen berühren wird.
Nach meiner Einschätzung ist das die Quintessenz dieser besonderen Trauerrede.
Die Rednerin hat sich zu dreierlei entschlossen und diese Drei auch wunderbar miteinander verflochten:
Christine Strobl hat die Rede profund und sehr bedachtsam vorbereitet. Wirklich klar geworden ist mir das beim Anblick ihres Redetextes (ich habe die Rede transkribiert).
Auch wenn sie viel erzählt, viele Namen nennt, auf doch etliche Ereignisse hinweist – es ist kein Chaos, ganz im Gegenteil, es ist alles wunderbar geordnet.
Immer ergibt sich das eine aus dem andern; das macht es uns auch leicht, Christine Strobl gerne zuzuhören. Den Faden verlieren wir nie. Immerzu hängen wir an ihren Lippen.
Werte Leser, Sie finden weiter unten nicht nur das Transkript der Rede, sondern auch ein zweites Dokument. Dort habe ich den Aufbau der Rede, ihre Struktur, sichtbar gemacht: Sie sehen die sinnvolle Ordnung der Trauerrede; Ordnung heißt griechisch kosmos. Und kosmos heißt deutsch nicht nur Ordnung, sondern auch Schönheit. Daran mußte ich bei dieser Trauerrede denken. Daß sie so gut geordnet ist, macht sie schön.
Wenn Sie einmal eine Trauer- oder Grabrede halten müssen, folgen Sie diesem Vorbild hier. Vor allem: bereiten Sie sich gut vor und schreiben Sie auf jeden Fall genau auf, was Sie denn zu sagen vorhaben.
Das hat nicht nur den Vorteil von Ordnung und Schönheit der Rede. Es hat einen ganz praktischen Nutzen; wir sehen das bei Frau Christine Strobl:
Ihre große und menschlich unermeßlich wichtige und wohltuende Rede hat sie nur halten können, weil sie von ihrem Redekonzept gehalten worden ist. Frei redend hätte ihr das womöglich gar nicht gelingen können.
Je näher uns etwas geht, emotional, persönlich – desto schwerer ist das Reden vor einer Schar von Leuten.
Anders formuliert: Je näher uns etwas geht, desto besser ist es, wenn wir die rhetorische Distanz wahren, indem wir zwischen uns und unsere Hörer und zwischen uns und unsere eigene Seele diese Blätter Papier mit dem Redekonzept halten.
Das hat Frau Strobl getan und es hat gewirkt. Daß man ihr die mehr als begreifliche Gehühlslage am recht schnellen Reden angemerkt hat, stört erstens nicht und zweitens zeigt es uns: Ein Begräbnis ist ein Begräbnis. Und ein Trauerredner ist ein Mensch.
Der rundherum und in allen rhetorischen Details vollkommene Auftritt, neudeutsch: die performance, hat bei Pitches, Präsentationen, Motivationsreden und bei Key Note Speeches seinen Platz (deshalb trainiere ich das auch fleißig) – aber ein Begräbnis ist ein Begräbnis.
Beim Begräbnis hören wir Rednern auch ganz anders zu als bei andern Anlässen. Wir legen da schon unbewußt andere Qualitätsmaßstäbe einer Rede an als sonst.
Frau Christine Strobl haben in der Kirche zu Offenburg wohl alle gerne und dankbar zugehört. Sie hat ihrem Vater alle Ehre gegeben und seine Lieben getröstet. Das ist das Ziel einer solchen Rede am Sarge.
erlaube ich mir noch: Wenn Sie einmal eine Trauerrede oder Grabrede zu halten haben, konzentrieren Sie sich voll und ganz auf das Wirkungsziel dieser Rede.
Falls Sie wenig geübt sind im Redenhalten oder falls Sie sich für nicht ideal talentiert halten – machen Sie sich ja keine Sorgen: Reden Sie von Herzen und laut genug, akustisch verstehbar, dann ist alles gut.
Vorausgesetzt nur, Sie bereiten sich auch so richtig gut vor, am besten schriftlich.
Wenn Sie sich Unterstützung beim Vorbereiten und Einüben wünschen, melden Sie sich bei mir. Ich mache das gerne.
1/ Hier finden Sie das Transkript der Rede.
2/ Hier finden Sie die Struktur im Transkript der Rede.
Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich die Aufnahme der Rede nicht direkt in meine Seite hier implementieren. Es folgen zwei Links, von denen ich hoffe, daß sie lange aktiviert bleiben:
1/ Video mit der oben besprochenen Trauerrede, im unteren Abschnitt des Berichtes dort eingebettet:
2/ Video mit dem ganzen Gottesdienst. Das Video finden Sie beim Scrollen innerhalb des Berichts über den Gottesdienst. Die Rede von Christine Strobl finden Sie hier von TC 1:23:07 bis TC 1:36:30
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