Aus dem Nähkästchen eines Redenschreibers plaudern.

Géza Ákos Molnár 14. Dezember 2017


Redenschreibern geht es gut. Sie können jeden Tag von andern lernen.  Ich habe gestern aus einer Doku im ZDF gleich 3 Fündlein herausgelesen. Ich zeige sie Ihnen.

Solange noch in der Mediathek: anschauen!

Weblink: „Der große Zampano. – Wer war Leo Kirch?“ ZDF, am 12.12.2017

Nachtrag Februar 2021: Nun unter „Der Mann hinter Sky etc“ auf youtube zu sehen. 

Für die Zeit danach habe ich hier alles mitgeschrieben. 

(1) Minute 38:45 – 38:58. Ausgangslage: Leo Kirch meldet Insolvenz an.

„Seinen Mitarbeitern schreibt er zum Abschied eine E-Mail:

‚Liebe Mitarbeiterinnen, Liebe Mitarbeiter!

(a-b) Es sind nicht allein die Zahlen, die eine Firma ausmachen, es sind vielmehr die Menschen. Sie alle haben in den letzten Jahren Ihr Bestes gegeben, um dies zu beweisen. 

So ist zwar nicht sicher, wie es weitergehen wird, aber auch die Verhandlungen in den letzten Wochen haben gezeigt, dass Sie etwas Wertiges geschaffen haben. 

Es ging mir nie darum, ein mächtiges, sondern – für Auge und Ohr – ein vertikal integriertes Medienunternehmen zu schaffen.

(c) Es durfte auch erfolgreich sein. Dabei haben inhaltliche Gesichtspunkte, wie ich sie immer im Blick hatte, die führende Rolle gespielt.

(d) Das war meine Vision, die ich mit Ihnen bis heute verwirklichen konnte. Ich hoffe dass dies auch die Zukunft des Unternehmens bestimmen wird.

Gerne hätte ich weiter für unsere Firma und ihre Zukunft gestanden. Nun ist mir die Führung aus der Hand genommen worden. Gottes Segen, Dr.Leo Kirch‘“

» Mein Fündlein hier sind die vier Sätze (a-d), die ich oben kursiv herausgehoben habe.

Manchmal lesen wir leicht über die Schönheit der Formulierung hinweg. Lesen Sie die markierten Sätze noch einmal, nun unter dem Blickwinkel der Ästhetik.

Ich sammle dauernd schöne Formulierungen anderer und verwende sie bei Gelegenheit, wenn ich Reden schreibe. 

Jeder schön formulierte Satz eines Mannes kann auch in ganz anderem Kontext aus dem Munde eines ganz anderen Mannes wertvolle Dienste tun. Darum sammle ich schöne Sätze.

Für Sie: Wenn Sie öfters Reden halten oder für andere schreiben, halten Sie es doch auch so wie ich. Sie brauchen nur einen Zettel und einen Bleistift bei sich zu haben.

(2) Minute 39:42 – 39:59 Harald Schmidt erzählt, wie Kirch ihm von seinem Scheitern erzählt hat.

Harald Schmidt, Freund Leo Kirchs, der ihn für Late Night Shows entdeckt hatte,  zitiert ihn:

„ ‚Erschossen hat mich der Rolf.‘
… Literatur für mich, dieser Satz … Dieser Satz ist ja wirklich Literatur.
Und er funktioniert nur so, wie er gesagt wurde, nämlich: ‚Erschossen hat mich der – Rolf.‘
Das heisst, dass auch mal der Name schon am Ende steht. Hat ja eine ganz andere Wirkung.“ 

» Mein Fündlein hier: Schmidt, selbst einer der größten Begabungen und Künstler, wenn es um das Formulieren geht, zeigt ein unverzichtbares Ding, das wir Redenschreiber immer wachsam beachten müssen: Es kommt auch auf diese kleine Kleinigkeit an, auf die Ordnung, die Folge der Wörter im Satz.

Voraussetzung: Ich muss mir klar sein darüber, was ich bewirken will und welche Wirkung welche Wortfolge zeitigt. Die Ordnung des Satzes ist seine Würze.

Für Sie: Machen Sie es auch in Anlehnung an Kirch, von Schmidt zitiert. Etwa so:

Schreiben Sie Ihren Satz auf. Und jetzt probieren Sie laut verschiedene Wortreihenfolgen aus. Sie werden fündig werden. Sie werden für Ihr Wirkungsziel die richtige Ordnung des Satzgefüges herausfinden. 

Und Ihr Satz wird auch „Literatur“ werden. Ist das nicht gut?

Zur Erklärung zeige ich hier den Kontext dieses Ausschnitts über Kirchs „Erschossen hat mich der Rolf“:

Gemeint ist Rolf E. Beuer, Deutsche Bank, Vorstandssprecher und später Aufsichtsratsvorsitzender, der mit einem einzigen Satz über die Kredtifähigkeit Kirchs ein für das Imperium desaströses Erdbeben ausgelöst hatte.

Später, nach dem Ableben des erblindeten Leo Kirch, werden die Erben rechtskräftig 975 Mio. Euro (zu Lasten der Deutschen Bank) zugesprochen erhalten. Breuer wird 3,5 Mio. Euro an die Deutsche Bank zahlen müssen (Schadenersatz).

(3) Minute 40:56 – 41:17 Helmut Kohl kann nicht mehr reden, er tut es aber doch.

Noch einmal Harald Schmidt, nun über die Trauerrede des Lebensfreundes Kirchs, Bundeskanzler a.D. Dr. Helmut Kohl in der Jesuitenkirche St.Michael in München:

„Und dann wurde Dr. Helmut Kohl im Verlaufe der Trauerfeier neben den Sarg geschoben, und dann saß Dr. Kohl im Rollstuhl und sprach. Kohl sprach. Er war schwer zu verstehen, aufgrund der, der Erkrankung, ja, aber es war beeindruckend, ja, weil – also: was absolut klar war, war die Emotion.“ Redakteur: „Also echt.“ Schmidt: „Ja.“

» Mein Fündlein hier: Die Menschen hören nicht nur akustisch, sie hören mit ihren Augen, mit ihren Herzen, mit allen ihren Sinnen. Die „echte“ Botschaft gelangt an ihr Ziel.

Für Sie: Wenn Ihnen etwas wichtig ist, Sie aber – aus welchem Grund immer – handwerklich nicht (mehr) gut reden können, haben Sie guten Mut! Reden Sie dennoch! 

Die Menschen, die Ihnen lauschen, spüren Sie und spüren Ihre Worte. Und sie erkennen Ihre Botschaft.

Wenn es sogar der gestrenge Maestro der Rede und grosse Künstler des Wortes Harald Schmidt bezeugt, dass es so ist, dann fassen Sie sich ein Herz und reden Sie um Himmels willen!

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