Ein Fall für den Redenschreiber des Bundeskanzlers.

Géza Ákos Molnár 20. Mai 2019


Sebastian Kurz setzt die Koalition mit der FPÖ fort. Seine Erklärung vor der Presse. 

Am Samstag, den 18. Mai 2019, war es nach der Rücktrittserklärung des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache vor der Presse offiziell noch nicht klar, wie der Bundeskanzler nun entscheiden würde.

Es war spannend. 

Wie Sie wissen, bilde ich Redenschreiber für Konzerne, Interessenverbände und für die Politik aus. 

In Redeschreib-Seminaren lernen Experten aus verschiedensten Disziplinen, wie man die oft komplexen Dinge für die Rede des Politikers professionell aufbereitet und dem Politiker damit hilft, Zeit zu gewinnen und rhetorisch erfolgreich zu sein. 

Am liebsten hätte ich am 18. Mai gerade so ein Seminar gehalten. Ich hätte das Programm spontan geändert.

Ich hätte den Teilnehmern diese Aufgabe unter extremem Zeitdruck gegeben:

Annahme: Bundeskanzler Kurz hat entschieden, die Koalition mit der FPÖ fortzusetzen.

Weitere Annahme: Vizekanzler Strache ist soeben zurückgetreten, hat das in einer Pressekonferenz um 11:30 Uhr bekanntgegeben. Dies ist tatsächlich auch so geschehen.

Dritte Annahme: Der Herr Bundeskanzler will seine Entschlossenheit und Führungsstärke unter Beweis stellen und seine Entscheidung so früh wie möglich bekanntgeben und daher schon um 12:30 vor die Presse treten.

Aktuelle Lage: Es ist nun 11:35. Straches Pressekonferenz ist beendet.

Konkrete Aufgabe: Schreiben Sie seine Rede vor der Presse in Form einer schlichten Presseerklärung und ohne die Möglichkeit, daß Vertreter der Medien im Anschluß an die Erklärung des Kanzlers Fragen stellen. 

Frist: Ihren Entwurf muß der Herr Bundeskanzler um 12:00 erhalten, um sie gegebenenfalls mit Ihnen zu redigieren. 

Nun hatte ich am Samstag, den 18. Mai gerade kein Seminar für Redenschreiber. Mich hat diese Aufgabe aber so gereizt, daß ich sie mir selbst gestellt habe.

Ich zeige Ihnen meinen Entwurf auf Grundlage obiger Annahmen und der Aufgabenstellung.

Entwurf Presseerklärung BK Sebastian Kurz. 18.05.2019. 12:30 Uhr. Bundeskanzleramt. 

„Heute um 11 Uhr hat mir Herr Heinz-Christian Strache seinen Rücktritt als Vizekanzler der Republik Österreich und als Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport angeboten. 

Ich habe ihn zur Kenntnis genommen, dem Herrn Bundespräsidenten berichtet und mit ihm die weiteren Schritte vorbereitet.

Meine Gespräche und Beratungen in den Führungsgremien der ÖVP und mit meinen ÖVP-Ministern haben mich rasch einen klaren Entschluß fassen lassen. 

Lassen Sie mich zuerst mein Leitmotiv nennen und Ihnen dann meinen Entschluß bekanntgeben.

Was mich beim Ansehen des betreffenden Videos am allermeisten erschreckt hat, ist etwas, das jeden Menschen erschreckt, der es genau betrachtet:

Was für eine Perfidie. 
Was für eine Skrupellosigkeit. 
Was für eine Brutalität
steht hinter denjenigen, die Menschen in eine solche Falle locken –  vorsätzlich zumal. 

Was für eine kriminelle Energie 

haben die, die diese Falle von langer Hand handwerklich professionell vorbereiten, 

eine Villa mieten, 
unter lauter Lügen und nichts als Lügen eine Einladung an zwei Politiker vortäuschen, 

Kameras verstecken, 
Mikrofone aufbauen und so
zum großen Lauschangriff ansetzen? 

Lassen Sie es mich in aller gebotenen Klarheit sagen: Diese zwei Jahre alten Aufnahmen von zwei damals in der Opposition und im Wahlkampf arbeitenden Politikern, in Gesprächen mit kriminellen Lockvögeln dunkler Herkunft 

haben nur ein Ziel gehabt: 

Mit ihrer Veröffentlichung über die Medien wollte man die von mir angeführte Bundesregierung der Republik Österreich sprengen. 

Meine Damen und Herren: Wenn ich die inhaltlichen Aussagen, die in diesem Video zu hören sind, auch hart zurückweise und scharf verurteile: 

Ein gezieltes kriminelles Attantat auf die von mir geführte Bundesregierung lasse ich sicher nicht gelingen! 

Diese Methoden lasse ich keine Früchte tragen.

Wer diese Bundesregierung überwinden will, ist frei, dies auf dem demokratischen Weg zu tun. Und dieser Weg führt legal immer über den einzigen Souverän. Das ist das Volk, das sind die Wähler.

Nachdem Herr Vizekanzler Strache in Respekt vor seinem Amt und in Verantwortung gegenüber dem Staatsganzen zurückgetreten ist, ist der Weg frei für die Nominierung eines neues Vizekanzlers. 

Mein klarer Entschluß lautet daher: Selbstverständlich werden wir die Koalition von ÖVP und FPÖ auf dem Boden unseres Regierungsübereinkommens fortsetzen.

Ich werde weiters alles daran setzen, daß dieses politische Attentat aufgeklärt wird. Ich habe die Bundesminister für Justiz und für Inneres bereits gebeten, entsprechende Schritte einzuleiten. 

Mögen sie zum Erfolg führen und mögen wir der Verbrecher habhaft werden, damit wir sie den ordentlichen Gerichten übergeben. 

Meine Damen und Herren. Der Koalitionsausschuß wird heute nachmittag zusammentreten. 

Ich gehe davon aus, daß der Herr Bundespräsident den neuen Vizekanzler und Bundesminister für öffentlichen Dienst und Sport im Laufe der kommenden Woche angeloben wird. 

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!“

Natürlich ist das nur eine fiktive Übung. In Redeschreib-Seminaren üben wir tatsächlich praktische Fälle, damit die Redenschreiber für bestimmte Anlaßkategorien Schemata im Hinterkopf haben, die ihnen rasche Auftragserledigung leichter machen.

Wenn Sie oder wenn Ihr Unternehmen an einem solchen Seminar interessiert sind, nehmen Sie bitte Verbindung mit mir auf. Ich würde mich freuen!

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