J.D. Vance: heiße Eisen – kühler Kopf – warmes Herz

Géza Ákos Molnár 18. Feber 2025


Gute Reden machen große Geschichte. Wie wirkungsstark diese Rede des neuen
Vizepräsidenten der USA gewesen ist, merkt man schon daran, daß er nur zwei
Mal starken Applaus bekommen hat: zuerst, als er ans Rednerpult trat und dann,
als er den Opfern des islamischen Terrors in München seine Anteilnahme
ausdrückte.

Während der 19-minütigen Rede klatschte man nur weitere zwei Mal. „Man“ heißt: ein
paar wenige im Publikum. Zuerst, als er die Mission der neuen US-Regierung für
die umfassende Meinungsfreiheit erwähnte; und dann, als er über die
angeführten Gründe der Annullierung der rumänischen Präsidentenwahl sprach.

Nach der Rede klatschte die Audienz nur höflich, d.h. schwach, leise, kurz.

Den meisten Anwesenden gefiel nicht, was Vance sagte. Die Kamera fing
manchmal die Gesichter von Generälen und Politikern ein. Sie verraten viel.

Das Bemerkenswerte

an der Rede war meiner Beobachtung nach folgendes: 

J.D. Vance wußte, daß das, was er sagen würde, hier nicht nur nicht gut ankommen, sondern sogar auf Abwehr stoßen würde. 

J.D. Vance hat dennoch gesagt, wovon er überzeugt war, es sagen zu müssen.

Meine Beobachtungen

1/ Struktur der Rede – die sichere Schiene:

  • höflich dankende Einleitung – 
  • brisanter Inhalt – 
  • Ermutigung, Dank und Segenswunsch zum Abschluß 

2/ Heiße Eisen: 

Der Redner hat die Entscheidung getroffen, in seiner ersten großen internationalen Rede den Finger in die offene Wunde Europas zu legen:

Er redet über die Gefahr für die Sicherheit von innen und ortet sie wie folgt: 

  • massive Einschränkung der Meinungsfreiheit in Europa durch Orwell’sche Kriminalisierung von Gedanken und Gebeten; 
  • politisch gewollte illegale Migration nach Europa; 
  • die Mißachtung von Wählern durch den Ausschluß von gewählten Mandataren von jeglicher politischen Partizipation (Brandmauer) bis hin zur
  • bereits geschehenen (Rumänien) und für die Zukunft in Aussicht gestellten (Deutschland) Annullierung von demokratischen Wahlen bei Nichtgefallen des Wahlergebnisses.  

3/ Stil, Psychologie: 

  • glasklar im Inhalt
  • respektvoll im Ton 
  • aufrecht, freundlich
  • unaufgeregt, sachlich, in sich logisch & konsistent
  • verbindlich & verbindend (our common values etc.) 
  • keine Betroffenheitsrhetorik, dramafrei, kein Jammern und selbst dann, wenn er mahnt und warnt, ohne jeden arroganten Anflug moralischer Überlegenheit über die, die er heute konfrontiert
  • nie laut, sarkastisch, verbittert, zynisch, jemanden beschimpfend 
  • dafür (er)klärend, ohne belehrend daherzukommen 
  • frei von Politsprech; jeder einfache Bürger versteht ihn leicht & gut
  • empathisch gegenüber denen, deren Geschichten er erzählt

4/ Auftritt: 

  • für meinen Geschmack ein wenig zu schnell, zu hohes Sprechtempo. Ein paar Pausen und Betonungen hätten gutgetan. 
  • Er hat ein vorbereitetes Konzept (Teleprompter) verwendet; das kann man aber nur daran erkennen, daß er sich ein paar wenige Mal hörbar verlesen und das dann korrigiert hat. 
  • Wer das nicht mitbekommen hat, ist davon ausgegangen, daß er komplett frei geredet hat – so ausgezeichnet hat er gestisch, mimisch, blickkontaktmäßig frei wirkend geredet.

5/ Philosophischer Rahmen

  • christlicher Glaube 
  • echte Demokratie & allumfassende Meinungsfreiheit als Voraussetzung und unverzichtbare Basis von Sicherheit
  • Einheit des Verteidigungsbündnisses nur auf Basis gemeinsam gelebter (!!) Werte 
  • Grundprinzip der Rede: die unmißverständliche Eindeutigkeit der Botschaft. J.D. Vance bietet keinen Interpretationsspielraum.

6/ Kopfkino bei Hörern

  • Was Vance in den Raum gestellt hat, hat er mit konkreten Beispielen belegt und Geschichten, z.T. mit Namen betreffender Personen, erzählt.
  • Die Fakten waren genau recherchiert. Nicht einmal im Nachhall werden Zweifel an der faktischen Wirklichkeit des Erzählten laut werden.

Meine Tipps für uns Redner

  • Wenn es nottut: Heiße Eisen klug anzufassen lohnt sich. Aber nie um ihrerselbst willen, sondern um eines Zieles willen. Vergewissere Dich des Zieles und benenne es auch. 
  • Laß die Hörer wissen, woran Du in bezug auf das Thema fest glaubst, damit sie Deine Botschaft selbst dann nachvollziehen können, wenn sie gegenteiliger Auffassung sind (vgl. oben „Philosophischer Rahmen“).
  • Beides zugleich zu sein, ist rhetorisch wirklich möglich: glasklar und respektvoll.
  • Recherchiere Fakten und Beispiele für das Kopfkino der Hörer immer sehr, sehr präzise, biete hier keine einzige offene Flanke. Sonst ist alles verloren. 
  • Guten Mut! Wenig oder gar kein Applaus nach einer guten kontroversiellen Rede tun weh;  aber halte Dir vor Augen: sie klatschen deshalb nicht, weil es ihnen weh getan hat, als sie Deinen Finger in ihrer Wunde gespürt haben. Aber sie haben ihn gespürt. Das war diesmal leider notwendig. Es wird ein andermal wieder einen heiteren Redeanlaß geben. 
  • Freilich: Wie es nach der kontroversiellen Rede weitergehen wird, liegt nicht mehr allein in des Redners Hand noch Verantwortung. Heiße Eisen nicht anzufassen, wenn es nottut, ist für gute führungsverantwortliche Redner keine Option. 
  • Ich erinnere an meine 3 Qualitätskriterien einer gute Rede (die hat J.D. Vance erfüllt): emotional – essentiell – ehrlich / ehrenhaft.

Hier finden Sie das Transkript der Rede von J.D. Vance in englischer und deutscher Sprache.

Hier sehen Sie die Rede von J.D. Vance englisch:

Hier sehen Sie die Rede von J.D. Vance deutsch:

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