Géza Ákos Molnár 12. Mai 2022
Als ich das Buch fertig gelesen habe, habe ich schmunzeln müssen. Der Herr Gysi ist ja ein schlauer Mann. Was genau Politiker nun nicht sagen, hat er im Buch nicht verraten.
Ich war zwar neugierig genau darauf – aber eigentlich hat er Recht, der Gysi. Er ist ja auch Politiker und sagt’s daher nicht, was seine Kollegen und er nicht sagen. Wegen der Mehrheit.
Und dieses Nichtsagen beobachte ich auch bei dem roten Faden, der sich durch das ganze Buch zieht: Gysi, schließlich ist er Kommunist von Kindesbeinen an, zeichnet ein durchwegs rosiges Bild vom Kommunismus.
Auch Gysi sagt nicht alles
Nichts sagen tut er über seine Massenverbrechen. Lieber zitiert er schöne Sätze von Karl Marx und erzählt eine schöne Anekdote, wie er in einer Rede an der Uni Trier dieselbige trotz „eingeschränkter Zuständigkeit“ zur „Karl-Marx-Universität“ erklärte.
Da es ja um Mehrheiten und nicht um die Wahrheit geht, zitiert er auch die die Gewaltausübung rechtfertigenden und die antisemitischen Worte Karl Marxens nicht.
Ich habe das Buch genossen:
Einmal war es ein gutes Mentaltraining für mich, der ich den Kommunismus ebenso ablehne wie den Nationalsozialismus und den Islamismus. Die lobenden Worte der roten Ideologie reizen mich zum Widerspruch.
Ich habe geübt, sie aus dem Munde, aus der Feder Gysis schlicht zu hören und sie im Wortsinne zu tolerieren, zu dulden.
Der Vorteil, den man daraus auf jeden Fall zieht: Wir lesen, wie ein heutiger Kommunist innerhalb seiner Denkschule sauber und logisch argumentiert. Und das tut Gysi immer. Auch in diesem Buch. Das mag ich.
Und was die politische Rhetorik betrifft, habe ich das Buch geradezu verschlungen, so gut ist es geschrieben und so gut ist es in der Sache!
Aus der Praxis für die Praxis
Es ist das kein Lehrbuch und will es auch nicht sein. Gysi führt uns im Buch mit Vorbild. Mit dem Vorbild eines der allerbesten parlamentarischen Redner, die es im deutschsprachigen Raum überhaupt gibt. Er erzählt, wie er es mit dem Reden immer schon gehalten hat.
Er macht es einem immer leicht, ihm gerne bis zum Schluß zuzuhören. Im Buch zeigt er, wie er das in seiner rhetorischen Praxis immer schon gemacht hat.
Ja, selbst das Buch hat er so geschrieben, als hätte er einen Vortrag zum Thema vorbereitet – es liest sich fast leicht (er gendert leider). Es macht neugierig auf jedes neue Kapitel. Es bringt einen oft zum Lachen. Er erklärt, argumentiert, erzählt viele Erlebnisse aus seinem politischen Leben.
Politiker, ja, auch Redenschreiber von Politikern, sammeln beim Lesen dieses Buches viele Ideen, Anregungen, Tipps und Grundsätze – und vor allem wichtige Qualiätskriterien für ihre rhetorische Arbeit.
Auch Gysi gendert alles
Ein sehr ernsthaftes Manko möchte ich bei allem Respekt vor der rhetorischen Exzellenz Gysis anmerken – aber selbst das ist „typisch Kommunist“: Ideologie hat allererste Priorität und nimmt dann keine Rücksicht – : Gysi gendert unentwegt und alles und jedes.
„Immer wieder wird behauptet, Politikerinnen und Politiker seien Schauspielerinnen und Schauspieler. Welch ein Ton der Verachtung liegt in dieser Charakterisierung. Aber vor allem: wie viel an kulturellem Banausentum.“ (S.203)
Ich sage: Gendern nervt beim Hören und beim Lesen unglaublich. Es verachtet den Charakter der deutschen Grammatik und zeugt von rhetorischem Banausentum der Sonderklasse. So ist das bei Ideologen und ihren vielen Mitläufern mit XX- und Mitläufern mit XY-Chromosomen.
Zitate aus dem Buch
Damit aber das Licht das Dunkel auf jeden Fall überstrahlt, ein paar wunderbare Zitate aus dem Buch:
„Sich ein Wort zur rechten Zeit am rechten Ort zu versagen, kann ein Ver-Sagen sein.“
„Die gute Rede weiß, die gute Rede weiß nicht besser.“
„Man ist doch keinesfalls auserwählt, sondern eben nur gewählt. Und das auch noch zeitlich begrenzt.“
„Frau Merkel, wo ist sie überhaupt? Ach, da hinten. Sie betreut ihre Staatssekretäre, das ist auch nötig. (Bei einer Rede im Bundestag 2010)“
„Man muss das Dumme auch dumm nennen, das Gefährliche gefährlich und das Böse böse. Man muss es benennen, weil man sonst schon aufgegeben hat.“
„Der Ungenauigkeit einer Formulierung geht eine Ungenauigkeit im Denken voraus. Es genügt nicht, etwas so oder so zu meinen; man muss es auch präzise ausdrücken können.“
„Wenn wir etwas für die Leute erreichen wollen, müssen wir sie zu allererst erreichen.“
„Als der Redner ankündigte: ‚Ich spreche zur Sache‘, fragten sich viele: Warum nicht zu uns?“
„Sprache ist nicht nur Nutzen, sie ist auch Schönheit!“
„Über Erich Honecker gab es den Witz, er sei ein Wunderkind: Er konnte mit vier Jahren bereits so sprechen, wie er dann mit siebzig sprach.“
„Eine Hauptregel der Schönfärberei: verschwommen bleiben!“
„‘Wer raucht, stirbt schneller‘ – diese Logik erschreckt. ‚Wer aufhört zu rauchen, lebt länger‘ – diese Logik ermutigt.
Mich erinnert das an einen jüdischen Witz.
Sagt ein Jude zum anderen: ‚Du siehst ja so verdrießlich aus.‘
Antwortet der andere: ‚Ja, ich bin sauer. Ich habe den Rabbi gefragt, ob ich beim Lesen der Thora rauchen darf. Er hat das entschieden verneint.‘
– ‚Du bist aber auch blöd‘, sagt der Freund, ‚du hättest fragen müssen, ob man beim Rauchen die Thora lesen darf. Das hätte er immer erlaubt.‘“
„Ich rede, und die anderen schlafen – das war nie mein Ziel.“
Fazit: Gregor Gysi gibt es nur im Gesamtpaket mit kommunistischem Gendern. Hinsichtlich politischer Rhetorik empfehle ich das Buch mit ganzer Überzeugung.
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