Géza Ákos Molnár 4. Dezember 2024
Vorbemerkung für meine deutschen und schweizer Leser: Rudi Fußi ist Unternehmer und Mitglied der SPÖ. Er möchte den derzeitigen Parteichef Andreas Babler ablösen, indem er eigeninitiativ und den Parteistatuten entsprechend jene Zahl an Unterstützungserklärungen von SPÖ-Mitgliedern sammelt, die er braucht, um offiziell zum Parteivorsitz kandidieren zu können. Die Kampagne hat Herr Fußi vor einigen Monaten begonnen, sie erreicht bald ihren Abschluß. Am 27. November d.J. hat Herr Fußi zu einer Pressekonferenz eingeladen, bei der er die Rede gehalten hat, die ich hier vorstelle. Die Aufnahme der Rede sehen Sie unten im Anschluß an meine Ausführungen über Fußis Auftritt.
Warum ich ihn in der Überschrift oben Genosse Prophet nenne? Genosse ist Rudolf Fußi, weil er Sozialist ist. Prophet nenne ich ihn, weil mich eine bestimmte, immer wiederkehrende Formulierung in seiner Rede an die biblischen Propheten erinnert hat.
Hat Rudi Fußi einen guten Religionslehrer genossen und in Gottesdiensten gut zugehört? Er redet von der wenigen Zeit, die wir noch haben. Jetzt sei die Zeit gekommen, wo wir uns entscheiden müßten. Noch hätten wir die Möglichkeit, umzukehren. Die Frist sei kurz. Sogar die Ankündigung des Gerichts ist mit dabei: Kehrten wir nicht unverzüglich um, seien wir verloren. Die Rettung sei möglich, noch.
Beispielzitate: „Und wenn wir das jetzt nicht erkennen, dann fahren wir an die Wand!“ „Und all diese Dinge sind jetzt zu ändern! Net morgen! Net übermorgen! Net irgendwann! Sonst ist der Wohlstand bei uns vorbei.“ „Es ist noch nicht zu spät, umzukehren. Nur viel Zeit, um Österreich zu retten, haben wir nicht mehr.“
Die Leidenschaft, die Emotionalität, das Engagement, mit der Herr Fußi das vorträgt, unterstreicht die polit-prophetische Seite seiner Rhetorik.
Das ist das Eine, was mich hellhörig gemacht hat, als ich die Rede das erste Mal gehört habe.
Das Zweite: Endlich wieder ein rhetorisch frischer Wind in der rednerisch armseligen Politlandschaft Österreichs. Da ist uns Deutschland weit voraus. Rudi Fußi hat einen starken Auftritt geliefert. Meine drei wichtigsten Qualitätskriterien hat er hier zweifelsfrei erfüllt. Er hat emotianal, essentiell und ehrlich geredet.
Das Dritte, ich knüpfe an das dritte Kriterium an: an „ehrlich.“ In einem Abschnitt seiner Rede geht er in die (ich nenne das jetzt so:) präventive Gegenoffensive und legt seine persönliche Gesundheitsakte offen, die seine innerparteilichen Gegner schon an die Redaktionen der Medien geschickt hatten.
Fußi legt offen, woran er leidet, bevor das einzelne Journalisten aus welchen Motiven immer, tun würden.
Zu „ehrlich“ zähle ich auch sein Eingeständnis, Fehler begangen zu haben, für die er um Entschuldigung bittet. Und Rudi Fußi bittet ausdrücklich um Entschuldigung und tut nicht, was in die Enge getriebene Politiker deutscher Zunge gerne tun: sich entschuldigen (obwohl das ein inhaltlicher Unfug ist).
Diese Ehrlichkeit ist anzuerkennen, wenngleich sie natürlich auch zur rhetorischen Strategie gehört: Der Redner nimmt den Gegnern, Feinden auch den Wind aus den Segeln, entwaffnet sie, macht sich selbst diesbezüglich unverwundbar; eine zuvor offene Flanke ist nun geschlossen, es gibt jetzt eine ganz gefährliche Angriffsfläche weniger.
Das Vierte, das mir sofort aufgefallen ist: Der scharfen Diagnose des von ihm als „politische Klasse“ genannten politmedialen Establishments und der allgemeinen Lage Österreichs und der Österreicher folgt ein Therapievorschlag. Die Therapie ist sehr konkret, bis in manches realpolitisch umsetzbare Detail hinein.
Damit schlägt Fußi wieder zwei Fliegen mit einem Schlag:
a/ Weil der Diagnose sein Therapieplan folgt, kann ihm niemand vorwerfen, er hätte nur gejammert und gesudert. Die Therapie läßt im Rückblick die Diagnose als professionelle Kritik auf Grundlage einer eingehenden Analyse leuchten.
b/ Selbst wer nicht jedem Therapievorschlag im Detail zustimmen mag, wird Fußi zugestehen, daß er sehr konkrete Maßnahmen zur Gesundung Österreichs vorhat, er kein Träumer ist, sondern beabsichtigt, als Macher auf den Plan zu treten.
Das Fünfte, das mir aufgefallen ist: Er nennt viele Beispiele, die seinen Befund belegen. Es sind Beispiele aus dem ganz konkreten Leben von ganz normalen Leuten, Unternehmern, Arbeitern; ich erwähne hier nur die „Packerlfahrer“ vom Amazon und die Taxiunternehmer in Wien. Fußi zeigt, daß er nichts von den Allüren derer hat, die er zur „politischen Klasse“ zählt.
Das Sechste, das ich erwähne, ist rhetorisch ein Vorteil und Nachteil zugleich: die Mundart, in der er redet.
Vorteil: zielgruppengerecht (siehe dazu die Passage, wo er davon redet, daß ja die SPÖ die Arbeiterschaft wieder zu gewinnen hat), menschlich nahe am Volk.
Nachteil: in Kombination mit dem Redetempo bisweilen sehr schlampige Artikulation; im Transkript stehen an ein paar Stellen Fragezeichen, weil ich manches Wort einfach nicht entschlüsseln habe können.
Alle Umfragen belegen, daß das elende Gendern die überwiegende Mehrheit der normalen Leute nervt, also auch die Zielgruppe Fußis.
Gendern ist reine Ideologie, bei Vielen Ergebnis erfolgreicher Gehirnwäsche. Gendern ist Funktionärssprech. Fußi gendert. So schade.
Bitte, Herr Fußi, lassen Sie das „Expertinnen und Experten“ das Alleinstellungsmerkmal Karl Nehammers und der „politischen Klasse“ sein.
Kein normaler Mensch glaubt, Sie wären frauenfeindlich, genderten Sie nicht, sondern redeten ganz normal und korrekt deutsch.
Wenn Sie „unterschreibende Menschen“ sagen und diejenigen meinen, die bereits unterschrieben haben, ist das auch ein kolossaler grammatikalischer Unfug, der einen Hörer nur ärgert.
„Unterschreibend“ (participium praesens) heißt: da ist jemand, der jetzt soeben dabei ist, etwas zu unterschreiben. Die Unterschriften die Sie heute zählen, stammen von Menschen, die bereits unterschrieben haben. Logisch? Das war meine siebente Beobachtung.
Meine achte Beobachtung, die Sie, werte Leser, nachvollziehen können, wenn Sie das Transkript gelesen haben werden: Der im Transkript mit „Anhang“ überschriebene Teil war m.E. inhaltlich und zeitlich zu viel des Guten.
Vorgeschlagen hätte ich Herrn Fußi, um der finalen rhetorischen Wirkung willen die beiden inhaltlichen Abschnitte ganz wegzulassen und sogleich folgendermaßen abzuschließen (ich verwende jetzt ausschließlich Fußis Worte, nur kombiniere ich sie anders):
„Es ist noch nicht zu spät, umzukehren. Nur viel Zeit, um Österreich zu retten, haben wir nicht mehr.
Bitte helfen Sie mir dabei, Österreich gemeinsam zu retten und unterstützen Sie meinen Plan, ‚gemeinsam aus einer stolzen Vergangenheit in eine gute Zukunft zu gehen!‘ Denn alleine habe ich keine Chance.
Es lebe die Sozialdemokratische Partei! Hoch die Republik! Gott schütze Österreich!“
Als Rhetoriker wünsche ich Rudi Fußi viel Erfolg. Auch rednerisch brauchen wir dringend frischen Wind in unsere österreichischen Parteien.
Ich wünsche Ihnen interessante Minuten mit Rudi Fußi!
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