„Strache: ‚Niemand wird mehr arbeiten!‘ “ – Lesen Sie das einmal laut!

Géza Ákos Molnár 27. Juni 2018


In einem Seminar für Redenschreiber habe ich die Teilnehmer gefragt, wie die Zusammenarbeit mit ihren jeweiligen Auftraggebern aussieht, für die sie die Reden schreiben.

Es gab viele interessante und ein paar erschreckende Antworten. Am meisten erschreckt hat mich diese Antwort eines Redenschreibers in einem Landesparlament: 

„Er liest sich das Konzept vor der Rede nicht einmal durch. Seine Rede lernt er erst bei der Rede kennen. Ganz wie seine Hörer.“

Kommentar überflüssig. Man schüttelt nur den Kopf. 

Was ich nur zeigen will: Die Rede oder den vorzulesenden Text vor dem Auftritt zumindest zu lesen, und zwar sinnerfassend zu lesen, am besten laut (da erschließt sich einem viel mehr), ist unverzichtbar wichtig! 

Schon alleine deshalb, weil man dann wenigstens das Eine weiß: Wie betone ich richtig?

„Strache: ‚Niemand wird mehr arbeiten!‘“ Das war eine Schlagzeile in der „Die Presse“. Ich habe sie zuerst einfach so im Internet aufgeschnappt und in Gedanken folgendes gelesen:

Strache: Niemand wird mehr ARBEITEN. Betonung auf „arbeiten“.

Denn meine Assoziation war: Es geht um das Arbeitslosengeld. Wenn es keinen spürbaren Unterschied zwischen dem Arbeitslosengeld und dem Lohn gibt, wird bald niemand mehr arbeiten (zugespitzt ausgedrückt).

Dann habe ich den Kontext gelesen und dadurch den Sinn der Schlagzeile erkannt. Es ging um die Flexibilisierung der Arbeitszeit. 

Natürlich hat Strache ganz etwas anderes gesagt als ich zunächst gelesen hatte. Er hat nämlich gesagt: „Niemand wird MEHR arbeiten.“ Also mehr als jetzt.

Dieselben Wörter! Und doch ein himmelhoher Unterschied zwischen der einen und der andern Betonung und Stimmelodie.

Was immer Sie je vorlesen oder vortragen: bitte, bitte vorher laut lesen. So viel Zeit MUSS sein. So ersparen Sie sich und Ihren Hörern ganz leicht eine riesengroße Peinlichkeit.

Und wenn Sie Ihren Kindern oder Enkerln ein Märchen vorlesen – bitte auch das vorher durchlesen. Ihr Kind hat’s dann besser, weil Sie das jetzt viel spannender machen.

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